Beppe Grillo geschockt (Bildquelle) |
Reuters: Italiens Fünfsternebewegung könnte sich im Zuge ihrer Identitätskrise aufspalten
Parteifunktionäre
von Italiens regierender Fünfsternebewegung warnen, dass der Partei
Parteiaustritte und eine Spaltung drohen könnte, die bei dem
kommenden Frühjahrsparteitag nicht mehr aufgehalten werden können.
Die
Anti-Establishmentbewegung, die bei den letzten nationalen Wahlen
2018 noch mit der doppelten Annzahl Stimmen gewann als die
zweitplatzierte Lega, wird seitdem von internen Quärelen
heimgesucht.
Nachdem sie bis zum
August letzten Jahres nur Stimmen verlor, als sie mit der Lega eine
Regierung bildete, welchselte die Fünfsternebewegung den
Koalitionspartner und regiert seitdem mit der mittelinken
Demokratischen Partei (PD).
Inzwischen jedoch
streiten sich die Parlamentarier und Anhänger der Fünfsternebewegung
darüber, ob die Partei nicht besser zu ihren Ursprüngen al eine
eigenständige Protestpartei zurückkehren wollen, während es
gleichzeitig parteiinterne Fraktionen gibt, die das Bündnis mit der
PD vertiefen wollen und einer, die zurück zum alten
Koalitionspartner der Lega wollen.
Am Sonntag gewann
der Kandidat der Fünfsternebewegung bei den Regionalwahlen in
Norditalien nur 3,5% der Stimmen, nachdem der ehemalige Vorsitzende
Luigi Di Maio seinen Rücktritt eingereicht hatte und sich dabei über
die Verleumdung durch seine Kollegen beschwerte.
„Früher stand die
Bewegung für Poesie und Hoffnung, heute dagegen herrscht
Guerillakrieg und Misstrauen“, so das altgediente
Fünfsternemitglied Max Bugani, der aktuell für die römische
Bürgermeisterin Virginia Raggi arbeitet.
Bugani ist seit der
Parteigründung im Jahr 2009 eine einflussreiche Figur und hält es
für möglich, dass sich die Fünfsternebewegung bald schon auflösen
könnte, was er für eine besser Lösung hält, als „sich
zusammenzuraufen, dafür aber jeden Tag zu streiten“.
Premierminister
Giuseppe Conte, der zwar keiner Partei angehört aber der
Fünfsternebewegung nahesteht, will sich mit der PD zu einer
„progressiven Front“ gegen den populistischen rechten Flügel
unter der Führung von Matteo Salvini verpflichten.
Der Gründer der
Fünfsternebewegung Beppe Grillo unterstützt diesen Vorschlag,
allerdings widersetzen sich Di Maio und andere hochrangige
Persönlichkeiten dieser Strategie, da sie gleich weit von links und
rechts entfernt bleiben wollen, um sich je nach den Umständen mit
dem einen oder anderen zusammenschließen können.
Laut
Meinungsumfragen
kann die Fünfsternebewegung noch 16% der Bevölkerung auf sich
vereinen, was der Hälfte des Wertes von 2018 entspricht, wobei sie
sowohl hinter der PD mit 19% liegt, als auch hinter der mit 30%
führenden Lega.
Anarchie und Abtrünnige
Auf dem kommenden
Parteitag werden sich die Spannungen in der Partei wahrscheinlich
zuspitzen. Dort soll ein neuer Vorsitzender gewählt werden, dazu
steht eine Neuorganisation der Partei auf dem Programm und es sollen
die politische Prioritäten der kommenden Zeit festgelegt werden.
Ursprünglich war die Veranstaltung für März angesetzt, jedoch hieß
es von Seiten der Partei, dass die Veranstaltung um „ein paar
Wochen“ verschoben wurde.
Einige der
Abgeordneten befürchten aber bereits davor schon Abtrünnige.
Vor allem sehen sie
Probleme auf den kommissarischen Parteichef und Hinterbänkler im
Senat Vito Crimi zukommen, der sich zunehmende Schwierigkeiten dabei
haben könnte, seiner immer chaotischeren Parlamentsfraktion
Disziplin aufzuzwingen.
„Wir werden einige
Leute verlieren“, kommentierte eine hochrangige Quelle die Lage und
deutete an, dass einige der Deserteure finanziell motiviert seien, da
eine parteiinterne Regelung sie dazu verpflichtet, einen Gutteil
ihrer Diäten an die Partei abzugeben.
Im vergangenen Monat
sind bereits drei Senatoren der Fünfsternebewegung zur Lega
übergelaufen, so dass sich die ohnehin schon knappe Mehrheit der
Regierungskoalition am Rande des Kollapses steht, wobei es aus
Legakreisen heißt, dass möglicherweise noch einmal fünf oder sechs
von den Fünfsterne zu ihnen überlaufen könnten.
Auf die Bitte um
einen Kommentar zu möglichen weiteren Überläufen meinte ein
Regierungsmitglied der Fünfsternebewegung: „Es ist möglich.“
Die aktuellen
Schwierigkeiten bei der Fünfsternebewegung, das sich selbst als
post-ideologisch definiert, waren möglicherweise unvermeidlich,
nachdem sie sich von einer wütenden Protestbewegung in eine
Regierungspartei verwandelt hat und Teil jenes „Systems“ wurde,
das sie zu bekämpfen angetreten war.
Mit ihrer Position,
wonach die Einordnung in politisch links oder rechts überholt sei
konnte sie in ihrer Zeit als Oppositionspartei über die politische
Kluft hinweg Stimmen sammeln.
Um aber zur
Regierungspartei zu avancieren musste sie sich zuerst mit der rechten
Lega verbünden, wodurch sie viele ihrer linken Anhänger entfremdet
hat, während danach das Bündnis mit der etablierten Linken kam, das
wiederum viele ihrer eher konservativeren Anhänger entfremdet hat.
Dabei kann die
Fünfsternebewegung durchaus politische Erfolge vorweisen, da sie
viele ihrer Vorzeigemaßnahmen durchsetzen konnte. Beispielsweise ein
Programm zur Armutsbekämpfung mit einem „Bürgergeld“, härteren
Sanktionen für Korruption, die Einschränkung von
Zeitarbeitsverträgen und die Reduzierung der Zahl der
Parlamentarier.
Hinzu kommt, dass
die Partei keine Korruptionsskandale hatte, die bei Italiens
Altparteien fast schon zur Tradition gehören. Das hat ihr viele
Sympathien eingebracht.
Kritiker warfen Di
Maio jedoch vor, zu viel Macht in seinem inneren Beraterkreis
anzusammeln, und er versäumte es zudem, der Bewegung eine
effektivere Struktur oder Organisation zu geben, was zu schwelenden
Meinungsverschiedenheit führte, für die innerhalb der Partei kein
offizielles Ventil vorhanden war.
„Die internen
Organisationsmängel der Fünfsternebewegung sind ein wesentlicher
Teil des Niedergangs, denn politische Parteien sind in erster Linie
Organisationen“, kommentierte Mattia Zulianello, ein auf
populistische Parteien spezialisierter Politikwissenschaftler von der
Universität Birmingham.