8. Januar 2020

Israels Dilemma in der Krise zwischen Trumps USA und dem Iran

Palästinenser beim CO2-intensivem Protestieren. Von Soleimani instruiert? (Bildquelle)


Die folgende Analyse der israelischen Zeitung Haaretz erschien bereits im Mai 2019. Darin wird auf die israelische Position eingegangen in der damals bereits hitzigen Situation zwischen den USA und dem Iran. Die USA arbeiteten zu dieser Zeit intensiv an einem Friedensplan zwischen den Palästinensern und Israel, genannt „Deal of the Century“. Zeitgleich kam es aber zu mehreren schweren Zwischenfällen unter anderem mit dem Raketenangriff auf die saudische Ölförderung. Die Analyse gibt dabei einen Hinweis darauf, wie der Tod von Qasem Soleimani als einer der bedeutendsten Strippenzieher des Terrors im Nahen Osten nicht zu einer weiteren Zuspitzung führen könnte, sondern zu dessen exaktem Gegenteil.


Haaretz: Netanjahus Iran-Dilemma: Wie lässt sich Trump zu Maßnahmen bewegen, ohne dabei Israel an vorderste Front zu stellen?



Auch wenn klar zu sein scheint, dass Trumps Instinkt ihm sagt, dass die Vermeidung eines Krieges mit dem Iran die besser Wahl ist, so kann letztlich niemand sicher sein, was er wirklich vorhat - nicht einmal Netanyahu.

Inmitten intensiver Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung für Israel und verschiedener Manöver, mit denen sich Premierminister Benjamin Netanjahu aus den sich inzwischen türmenden Anklagepunkten gegen ihn befreien will, so beschäftigt sich die derzeitige Staatsführung Israels mit einem Thema, das noch einmal erheblich wichtiger ist - den Entwicklungen am Golf.

Mit „derzeitiger Staatsführung“ übrigens ist im Wesentlichen einen Mann gemeint, nämlich Netanjahu selbst. So lange Avigdor Lieberman das Angebot noch nicht angenommen hat, einer neuen Regierung unter Netanyahu beizutreten, ist der Premierminister gleichzeitig auch Verteidigungsminister. Auch das Sicherheitskabinett des Landes ist ein totes Pferd. Seit den Wahlen vom 9. April hat Netanjahu es am 5. Mai nur einmal pro Forma zu einer Diskussion über die Eskalation im Gazastreifen einberufen. Zwei Mitglieder des Sicherheitskabinetts (die Minister Naftali Bennett und Ayelet Shaked) haben sogar nicht einmal die Wiederwahl geschafft, während weitere derzeit nur kommissarisch agierende Minister noch auf ihre Berufung in die neue Regierung warten.

Entsprechend findet die Debatte über die israelische Politik hinsichtlich der aktuellen Spannungen zwischen Amerika und dem Iran ausschließlich zwischen den Ohren des Premierministers statt, wenngleich angereichert durch die Ratschläge führender Verteidigungsbeamter.

Netanjahu hat einen entscheidenden Vorteil, der ihm in den Jahren der Obama Präsidentschaft fehlte - die enge Abstimmung mit US-Präsident Donald Trump. Aber selbst Netanyahu fällt es nicht leicht, Trumps wahre Absichten zu beurteilen.

Letzte Woche, nachdem amerikanische Spitzenbeamte mehrfach beunruhigende Informationen durchsickern ließen, ergriff Trump Maßnahmen, um die Situation wieder zu beruhigen. Er erklärte, dass er nicht an einem Krieg mit dem Iran interessiert sei, während führende amerikanische Zeitungen detaillierte Berichte über Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung hinsichtlich des weiteren Vorgehens gegen den Iran veröffentlichten.

Aber am Sonntagabend, nach weiteren iranischen Drohungen, änderte Trump wieder einmal die Richtung. In einem gehässigen Tweet drohte er: „Wenn der Iran kämpfen will, dann wird es dem offiziellen Ende des Irans gleichkommen. Bedrohen Sie nie wieder die Vereinigten Staaten!“

Trumps gezwitscherter Wutausbruch kam ein paar Stunden nach einem weiteren iranischen Signal: Eine Rakete landete in der Grünen Zone Bagdads unweit der US-Botschaft im Irak. Der Angriff folgte auf eine Reihe amerikanischer Warnungen über iranische Pläne, US-Ziele im Irak zu treffen, was Amerika dazu veranlasste, nicht benötigtes Personal aus der Botschaft und aus den amerikanischen Ölfirmen in der Region abzuziehen.

Dieser Vorfall war der dritte - möglicherweise gar der vierte - innerhalb von etwas mehr als einer Woche. Diesem ging eine Serie von Explosionen voraus, bei denen vier Öltanker in einem Hafen der Vereinigten Arabischen Emirate beschädigt wurden, sowie ein Drohnenangriff auf eine saudische Ölanlage durch die jemenitischen Houthi-Rebellen, die vom Iran finanziert werden.

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Iran zur jüngsten Kampfrunde in Gaza beigetragen hat. Diese Eskalation begann am 4. Mai mit dem Scharfschützenfeuer, das der Islamische Dschihad, eine Organisation, die sich der Autorität des Irans unterwirft, auf Israel richtet. Dem ging kein israelischer Angriff auf den Islamischen Dschihad voraus.

Die drei Angriffe am Golf haben alle einen klaren gemeinsamen Nenner. Teheran hat sich nicht zu ihnen bekannt (die Houthis haben die Verantwortung für den Drohnenangriff übernommen). Die weit verbreitete Annahme jedoch ist, dass die Iraner hinter ihnen standen. Solche Angriffe ermöglichen es dem Iran, eine Drohbotschaft zu senden während sie diese gleichzeitig leugnen können, was es für Amerika schwierig macht, mit eigenen militärischen Aktionen zu reagieren.

Die Nähe des jüngsten Angriffs mit einem eindeutig amerikanischen Ziel (die Botschaft in Bagdad) war vermutlich der Auslöser für Trumps Reaktion und führte dazu, dass er Teheran unverblümt drohte. Dennoch scheint sein Grundinstinkt immer noch darin zu bestehen, dass eine Vermeidung unnötiger Kriege im Nahen Osten der beste Weg darstellt. Vorerst scheinen Amerikas Schritte vor allem defensiv zu sein.

In diesem Konflikt hofft Israel darauf, ein eigenes Stück vom Kuchen abzubekommen. Seitdem Trump vor zweieinhalb Jahren zum Präsidenten gewählt wurde, drängt Netanjahu ihn zu einer aggressiveren Haltung gegenüber dem Iran. Das Ziel besteht darin, den Iran zu weiteren Zugeständnissen bei dessen Atomprogramm zu zwingen, sowie das Einstellen der Unterstützung des Landes für militante Organisationen im Ausland.

Trump ist diesem Drängen vor einem Jahr nachgekommen, als er Amerika aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausstieg. Es folgten schärfere Sanktionen gegen den Iran sowie die Veröffentlichung eines Plans von US-Außenminister Mike Pompeo, der zwölf Schritte beschreibt, die Teheran unternehmen muss, um Washington zufrieden zu stellen.

Aber Israel ist nicht daran interessiert, zu einem Teil der Front zu werden. Deshalb hat Jerusalem auch nur wenige offizielle Erklärungen zur Iran-Frage abgegeben, während Netanjahu die Minister zu Vorsicht bei öffentlichen Äußerungen aufgefordert.

Diese Vorsicht gilt auch für militärische Aktionen. Die Berichte aus Syrien von diesem Wochenende über zwei israelische Luftangriffe auf iranische Ziele innerhalb von 24 Stunden scheinen nicht glaubwürdig zu sein. Man kann davon ausgehen, dass sich Israel auch für eine größere Zurückhaltung an der Nordfront entscheiden wird, solange eine Annähernug zwischen Amerika und dem Iran ausbleibt.



Trumpf Friedensplan



Trotz der Spannungen am Golf setzt die Trump Regierung ihre Vorbereitungen ihrer israelisch-palästinensischen Friedensinitiative fort. Am Sonntag kündigte sie an, dass sie den wirtschaftlichen Teil ihres Plans am 25. Juni während einer internationalen Konferenz in Bahrain veröffentlichen werde.

Dies bestätigte zwei Annahmen über den „Deal des Jahrhunderts“, wie das Vorhaben bezeichnet wurde. Erstens hat dessen wirtschaftliche Seite Vorrang vor dessen diplomatischer Seite, deren endgültige Form weiterhin unbekannt ist. Zweitens versucht Trump wie üblich, das Stattfinden der Konferenz als Ergebnis darzustellen, anstelle von inhaltlichen Belangen.

Die Palästinenser allerdings verweigern sich einer Kooperation. Bereits am Montag hatte die Palästinensische Autonomiebehörde angekündigt, dass sie keine Delegierten zur Konferenz entsenden wird.

Es ist durchaus ironisch, dass dieselbe Regierung, die im vergangenen Jahr die Finanzhilfe für die Palästinenser sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen fortlaufend kürzte nun versucht, dies mit Geldern vom arabischen Golf zu überwinden und die palästinensische Seite damit dazu zu bewegen, sich der amerikanischen diplomatischen Initiative anzuschließen.

Neben dem Haupthindernis in Form der pauschalen palästinensischen Ablehnung, kommt vielleicht noch eine weitere Schwierigkeit hinzu: Sowohl in Amerika als auch in den Golfstaaten könnte es zum Versuch kommen, die Initiative zum Stocken zu bringen, indem die Aufmerksamkeit auf neuerliche Spannungen mit dem Iran gelenkt werden.


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