Zwei Regionalbahnen mit angedachtem Gebläskasten am Bug des Triebwagens (Bildquelle) |
Der Schienensuizid: Mehr als nur ein theoretisches Ärgernis für die Bahn
Mit Schienensuiziden
bezeichnet man Selbstmorde oder Versuche desselben, wen sich jemand vor
einen fahrenden Zug stellt, um sein Leben zu beenden. Aufgrund eines signifikanten Nachahmereffekts wird über diese
Selbsttötungsmethode nur selten berichtet. Dennoch handelt es sich dabei um ein tägliches
Vorkommnis. In
Deutschland sind Züge der Deutschen Bahn auf offener Strecke besonders betroffen,
allerdings kommt es auch immer wieder zu Selbstmordversuchen im
Haltebereich des Nahverkehrs wie U-Bahnstationen.
Jährlich versuchen
sich alleine in Deutschland über
700 Menschen auf diese Weise das Leben zu nehmen. In etwa 10% der Fälle überlebt die Person zwar, dies aber
zumeist auf Kosten der Gesundheit in Form von abgerissenen Körperteilen.
In jedem Fall bleibt ein traumatisierter Zugführer
zurück, da er aus nächster Nähe alles tatenlos mitansehen muss.
Es ist ein Problem, das nach Abhilfe ruft und wie ich meine zuverlässig gelöst werden kann. Es handelt sich dabei um eine technische Lösung
und ich denke, sie wäre nicht einmal allzu teuer.
Ein Hochleistungsföhn am Bug des Triebwagens
Die Idee ist
eigentlich recht simpel. Personen, die sich vor einen fahrenden Zug
stellen oder legen sind zwar schwer, aber sie sind noch immer leicht genug, um von einem kräftigen Windstoß
weggeweht zu werden. Das heißt, alles was man braucht ist ein am
vorderen Ende des Triebwagens montiertes Hochleistungsgebläse, das
vom Zugführer im richtigen Moment kurz vor dem Einschlag aktiviert
wird, und das die Person entweder nach links oder nach rechts wegbläst.
Weder die Aerodynamik stellt ein Problem dar, da die Gebläse in einem Kasten verpackt werden können, der sich nur im richtigen Augenblick öffnet, noch wären die unterschiedlichen Kupplungen verschiedener Zugtypen ein Problem (Regionalbahn versus ICE). Von allen Typen gibt es in Deutschland und weltweit ausreichend viele, so dass sich die Anfertigung von Gebläsen mit unterschiedlichen Halterungen lohnt.
Weder die Aerodynamik stellt ein Problem dar, da die Gebläse in einem Kasten verpackt werden können, der sich nur im richtigen Augenblick öffnet, noch wären die unterschiedlichen Kupplungen verschiedener Zugtypen ein Problem (Regionalbahn versus ICE). Von allen Typen gibt es in Deutschland und weltweit ausreichend viele, so dass sich die Anfertigung von Gebläsen mit unterschiedlichen Halterungen lohnt.
Des weiteren ist auch das Gewicht derartiger Probleme kein kritisches Hindernis für eine Umsetzung. Industrielle Hochleistungsgebläse der notwendigen Stärke sind kaum größer als ein Kubikmeter und schwerer als 200kg. Aufgrund der großen Kräfte, die im Normalbetrieb auf die Kupplungen wirken, scheint eine besondere Nachrüstung der Kupplungen und auch ein eigenes Rollrad für das Gebläse nicht notwendig zu sein. Sie ließen sich als Einheit vermutlich direkt an die Kupplung hängen. Im Zweifel wäre aber auch ein eigenes Rollrad als Stütze des Geräts keine besondere technische, logistische oder aerodynamische Hürde für die Umsetzung eines derartigen Systems.
Da es
streckenabhängig vorkommen kann, dass auf einer Seite kein freier
Platz auf der Strecke ist, oder sich gerade ein zweiter Zug in Gegenrichtung auf die
Stelle zubewegt, sollte es dem Zugführer möglich sein, die
Blasrichtung auszuwählen. Eventuell böte sich auch an, einmal das
Gebläse über einen Abstandsmesser automatisch aktivieren zu lassen
und auch eine positions- und zeitbedingte Voreinstellung festzulegen,
ob der Windstoß nach links oder rechts gehen soll. Dies würde die
erwartbar geschockten Zugführer im Fall der Fälle von einem Gutteil
der situativen Verantwortung entlasten.
Während die Dauer
des Windstoßes auf eine Sekunde beschränkt bleiben kann, so könnte
es sich als vorteilhaft erweisen, dessen Stärke an die
Geschwindigkeit und die Position des Zuges anzupassen. Es bringt
nichts, eine Person vom Suizid zu retten, nur um diese beispielsweise
von einer Brücke zu blasen oder in einen unter Hochspannung stehenden
Stromkasten zu schleudern.
Systemkosten der Gebläse
Die Kosten für
derartige Triebwagengebläse wären aller Wahrscheinlichkeit nach
überschaubar, da alle notwendigen Komponenten bereits existieren und
lediglich entsprechend miteinander kombiniert werden müssen. Das
System besteht neben dem Gebläse aus dessen Behälter, der
Kupplungshalterung, der Elektrik und der links-rechts-Steuerung, sowie in den
Betriebshöfen aus entsprechendem Gerät, um die Konstruktion
am Zug anzubringen.
Inklusive
notwendiger Entwicklungskosten und der Fertigung würden die
Gesamtkosten eines Triebwagengebläses vermutlich nicht die Marke 200.000 Euro übersteigen mit einem angenommenen Preis pro Komponente
von 40.000 Euro.
Derzeit verfügt die
Deutsche Bahn über
288 ICE und circa
eintausend weitere Lokomotiven im Bereich des Personenverkehrs, hinzu kommen Lokomotiven für den Güterverkehr. Da die
Statistiken zu Schienensuiziden aber nahelegen, dass insbesondere
überregionale Schnellzüge von dem Phänomen betroffen sind, ist es vermutlich ausreichend, sich bei der Ausrüstung mit Gebläsen auf Triebwagen für den
Personenverkehr zu beschränken.
Die
Systemgesamtkosten für die DB beliefen sich damit auf bis zu 260
Millionen Euro.
Die Nutzenseite des Systems
Der Nutzen von
Triebwagengebläsen speist sich aus vier Aspekten. Einmal gäbe es
wesentlich weniger traumatisierte Zugführer, die eine Therapie
benötigen und aufgrund eines erlebten Schienensuizids in nicht wenigen Fällen arbeitsunfähig
sind. Deren Anteil würde
drastisch sinken, wobei pro Fall mit direkten und indirekten Kosten
von 20.000 Euro (zwei Monate Arbeitszeit) ausgegangen werden kann für
die durchschnittliche gesundheitliche Nachsorge betroffener
Zugführer.
Als zweiter Nutzen
des Systems gäbe es weniger Systemstörungen in Form von
Streckensperrungen, Verspätungen und Schäden an den Zügen. Pro
Fall muss durchschnittlich (ins Blaue geschätzt) mit mindestens 50.000 Euro gerechnet werden, die das Kompensieren der genannten
Störungen kostet.
Dritter Nutzen
besteht in der Lebensrettung in 90% aller Schienensuizide, die
aktuell noch mit dem Tod enden. Menschen mit Selbstmordgedanken benötigen meist
intensive Therapien, sind in vielen Fällen aber durchaus in der
Lage, ein autonomes Leben mit eigenem Arbeitseinkommen zu führen.
Der Fall des ehemaligen Fußballtorwarts Robert Enke ist das wohl
prominenteste Beispiel hierfür.
Volkswirtschaftlich betrachtet bleibt bei der weiteren Lebensführung dieser Menschen erwartbar kein großer Überschuss übrig. Im Durchschnitt aber sind es sicherlich noch 20.000 Euro (1.000 Euro pro Arbeitsjahr), die jemand erwirtschaften kann abzüglich notwendiger Therapien und krankheitsbedingter Arbeitsausfälle.
Volkswirtschaftlich betrachtet bleibt bei der weiteren Lebensführung dieser Menschen erwartbar kein großer Überschuss übrig. Im Durchschnitt aber sind es sicherlich noch 20.000 Euro (1.000 Euro pro Arbeitsjahr), die jemand erwirtschaften kann abzüglich notwendiger Therapien und krankheitsbedingter Arbeitsausfälle.
Der vierte und
letzte Nutzen bezieht sich auf jene 10%, die den Suizidversuch
überleben. Diese müssen neben weiteren Therapien
aufgrund der zugezogenen Verletzungen meist auch für eine längere
Zeit medizinisch betreut werden. Hinzu kommen
Verstümmelungen in Fällen, in denen die Betroffenen teilweise vom
Zug erfasst wurden. Bei diesen besteht eine große Wahrscheinlichkeit
für eine nachfolgende Arbeitsunfähigkeit. Die pro Fall
durchschnittlich einsparbaren Kosten mit Hilfe der Gebläse sind
daher sehr wahrscheinlich hoch und liegen schätzungsweise nicht unter 30.000 Euro.
Insgesamt ergeben
sich dadurch Opportunitätskosten von 120.000 Euro pro Fall. Rechnet
man pro Jahr mit 700 Schienensuiziden, dann resultiert dies jedes
Jahr in 84 Millionen Euro an volkswirtschaftlichen Gesamtkosten für das Phänomen.
Würden sich Triebwagengebläse lohnen?
Vergleicht man die
Systemgesamtkosten von 260 Millionen Euro mit den von
Schienensuiziden verursachten Gesamtkosten von jährlich 84 Millionen
Euro, dann wäre der Break-Even einer Installation der Gebläse nach etwas mehr als drei Jahren erreicht. Geht man von einer 50% Quote aus, mit der die
Gebläse die Betroffenen ohne größere Verletzungen retten können,
dann ist der Break-Even nach sieben Jahren erreicht.
Dabei handelt es
sich um ein Szenario mit konservativen Zahlen, wobei der Break-Even für
die Deutsche Bahn selbst unter Abzug der indirekten Kosten bestehend
aus den beiden letzten Kostenfaktoren noch immer nach elf Jahren
erreicht würde. Geht man von einer 80% Erfolgsquote für das System
aus, dann würde sich der Einbau des Systems für die DB bereits nach sieben Jahren rentieren.
Neben der direkten
Erfolgsquote der Gebläse käme noch der psychologische Effekt hinzu.
Suizidgefährdete würden fortan nicht mehr nur keine Meldungen über
Schienensuizide in den Nachrichten hören, sondern es würde ihnen
sogar das Gegenteil berichtet in Form der Unmöglichkeit derartiger
Selbstmorde aufgrund der Nachrüstung der Züge. Selbst mit
einer relativ niedrigen Erfolgsquote und einer nur teilweisen Ausrüstung der Flotte könnte die Zahl der Versuche
daher drastisch gesenkt werden.
Lediglich
(hoffentlich sehr seltene) Mordversuche über an die Gleise gekettete
Menschen oder sich selbst an die Gleise kettende Menschen kämen dann
noch vor. Eine derartige Selbstankettung jedoch stellt psychologisch
eine derartig hohe Hürde dar, dass sie sehr wahrscheinlich nicht in
statistisch relevanter Größenordnung vorkommt.
Insgesamt lässt
sich sagen, dass insbesondere dann, wenn man diese Lösung in
Relation setzt zum erzielten Vorteil einer mindestens vierstelligen
Zahl potenziell geretteter Menschen weltweit jedes Jahr und einem Ende
traumatisierter Zugführer denke ich, dass sie es wert wäre, von
Ingenieuren und Bahnverantwortlichen auf Machbarkeit getestet zu
werden.