Landschaft in Nordengland; man beachte die Steinwälle (Bildquelle) |
Englands Steinwälle früher und heute
In meiner
Vorstellungswelt war das ländliche England bislang fest verankert
als ein idyllischer Ort, mit kleinen pittoresken Ortschaften und ab
und an einem Herrenhaus. Dazu sehr viel grün und eine Landschaft,
die nicht ohne Grund als Namenspatron diente für „englische
Gärten“.
Ein fester
Bestandteil dieser Landschaft sind Felder, deren Grenzen man an
kleinen Steinwällen erkennen konnte. Diese Steinwälle sind kaum
einen Meter hoch und sie bestehen aus jenen Steinen, die von Bauern
beim Umpflügen gefunden wurden und kurzerhand aufgetürmt wurden,
bis irgendwann eine kleine Mauer entstand. Dies half nicht nur dabei,
Streit mit Nachbarn zu vermeiden, sondern auch, damit die eigenen
Schafe wissen, wie weit sie gehen können. Nicht zuletzt entstanden
mit diesen steinernen Feldtrennern kleine Biotope für Insekten,
Reptilien und Vögel, die sich dort in Ruhe ausbreiten konnten, da
weder sie die Bauern störten, noch die Bauern sie störten.
Heute werden kaum
noch neue Steinwälle diesen Typus errichtet, da der allergrößte
Teil des ländlichen Englands bereits kultiviert ist. Das heißt, es
gibt kaum noch Steine in nennenswerter Größe im ersten Meter unter
dem Boden, die der Pflug versehentlich nach oben befördern könnte.
Die Aufgabe der Feldabgrenzung für die Nutztiere wiederum übernehmen
auch in England zumeist mobile Elektrozäune an Orten, die in der
Vergangenheit nicht mit einem kleinen Steinwall versehen wurden.
Jenseits des
landschaftlichen Reiz und der pragmatischen Lösungsorientierung
englischer Bauern der Vergangenheit könnte man also meinen, ist die
Zeit für derartige Wälle vorüber. Doch weit gefehlt.
Mit Wällen gegen eine voll integrierte Wertschöpfungskette
Wie die Daily
Mail berichtet beginnen immer mehr Bauern in England damit, ihre
Felder und Höfe mit Wällen zu umgeben. Dabei liegt ihnen nicht der
Naturschutz am Herzen und auch nicht die Liebe zur Landschaftspflege.
Vielmehr ist es die immer stärker grassierende Kriminalität, die
nicht mehr nur die großen Zentren von London, Birmingham und den
Midlands betrifft, sondern zunehmend auch auf ländliche Gegenden
überschwappt.
So ist auch die im Südwesten der Insel gelegene Region Cotswolds
betroffen, die bei Wikipedia beworben wird als das Herz Englands. Das
zugehörige Bild im Eintrag über Cotswolds zeigt auch just jene
sattgrüne Landschaft, wie sie in meiner Phantasie abgelegt ist
mitsamt steinerner und von Büschen überwuchernder Feldtrenner.
Schönes Cotswolds (Bildquelle) |
Die
Bauern der Region sind so sehr über Räuberbanden verzweifelt, dass
sie auf die antike Technik zurückgreifen und ihre Höfe und Felder
mit Schutzwällen umgeben, die jenen ähneln, die schon ihre
Vorfahren errichtet haben. Lediglich das Material und die verwendete
Technik haben sich verändert. Dank Traktoren und Baugerät können
sie ihr Eigentum nun mit soliden Erdwällen ausstatten.
Die
auf das ländliche England spezialisierten Diebe sollen
auf diese Weise daran gehindert werden,
dass sie bei ihren Raubzügen mit Fahrzeugen ungehindert auf den Hof
fahren können, um dann wahlweise Geräte zu klauen, ganze Tiere
mitzunehmen oder gar vor Ort gleich zu schlachten, oder einfach nur,
um etwas nächtlichen Spaß mit dem unabgeschlossenen Hoftraktor zu
haben.
Das
Problem mit den Raubzügen ist offenbar so groß für die Bauern
Englands, dass die Organisation für die Bekämpfung von Verbrechen
gegen Wildtiere bei ihrer nächsten Konferenz den Bauern des Landes
sogar eine offizielle Empfehlung für den Bau derartiger Erdwälle
aussprechen will.
Lieber jetzt bauen, bevor der Diesel für die Maschinen verboten wird (Bildquelle) |
Denn
nicht nur Cotswolds ist betroffen, generell erachten Diebe ländliche
Gebiete als „leichte Beute“ und ziehen auf ihren Raubzügen „von
Bezirk zu Bezirk“, wobei die Spezialisierung in dem Bereich in
vollem Gang sein soll und es keineswegs viele Einzeltäter sind,
sondern organisierte Banden mit einer Wertschöpfungskette, die
reicht vom Ausspähen bis zum Verkauf der heißen Ware.
Neben
den baulichen Schutzmaßnahmen statten auch immer mehr Bauern ihre
Fahrzeuge mit Sendern aus, damit sie diese im Fall der Fälle schnell
wieder finden können. Die englische Polizei spielt indes nur eine
Nebenrolle. Sie ist weiterhin beschäftigt mit dem Verfolgen von
„Hassrede“, was deren Budget stark
beansprucht. Das heißt aber keineswegs, dass sie untätig bleiben
wird. Es wird sicherlich bald auch in den
ländlichen Regionen entsprechende Einheiten auf Abruf geben,
um all jene Landwirte zu verfolgen, die auf einen möglichen
gemeinsamen Hintergrund der Täter verweisen, die
ihre Beute laut Artikel bevorzugt in Richtung Osteuropa verschiffen.
Wo
in Deutschland die Innovationen der Merkelpoller und Merkeltannen -
oder schlichtweg das Abwesend bleiben von öffentlichen
Veranstaltungen – für eine „Neue Ordnung“ sorgen, so hilft
sich England ab mit der Neuentdeckung von Wällen als Schutzmaßnahme
gegen ungewollte Eindringlinge.