13. August 2019

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Waffenbesitz und Mordrate? Ja schon, aber...

Wühltisch auf der Knarrenmesse in Amiland (Bildquelle)

Nach den beiden Amokläufen kürzlich in den USA gab es wie üblich Forderungen nach restriktiveren Waffengesetzen, um derartige Morde besser in den Griff zu bekommen. Kritiker von schärferen Vorschriften dagegen verweisen auf den mangelnden Zusammenhang zwischen legalem Waffenbesitz und Kriminalität, bzw. Mord als dem finalen Effekt des Schusswaffengebrauchs. Tatsächlich zeigen die folgenden Zahlen, dass Schusswaffen in der Kategorie Mord sogar eine leicht positive Wirkung auf die Zahl der Morde haben.



Wie man Waffen- und Mordstatistiken bastelt...



Als Grundlage für die Rechnung dienen ein paar Listen von Wikipedia, der ehernen Quelle für digitale Wahrheiten. Einmal gibt es dort eine Liste mit der geschätzten pro Kopf Zahl an Schusswaffen in der Bevölkerung und es gibt auch eine Liste mit der Anzahl der Morde pro Land und Jahr. Bei den Zahlen handelt es sich größtenteils um Schätzwerte, wobei einige Zahlen auch aus unterschiedlichen Jahren stammen. In den Zahlen steckt damit ein gewisser Unsicherheitsfaktor, den man bei Schlussfolgerungen berücksichtigen muss, zumal das ein oder andere Land möglicherweise nicht so emsig Zahlen für Statistiken sammelt als wir hier in Deutschland. Trotzdem sind das die besten Zahlen, die es zum Thema gibt und - noch einmal - sie stammen von Wikipedia, müssen also korrekt und relevant sein.

Zieht man von der zusammengesetzten Liste, die sich jeder hier als Excel/ODS Datei herunterladen kann, all jene Länder ab mit unter einer Million Einwohner, dann bleiben 159 übrig. Die Zahlenbasis ist also recht groß und robust, wobei, das sollte ich noch erwähnen, Somalia und das Vereinigte Königreich musste ich aus deren Einzelteilen zusammensetzen, da England und Wales, Nordirland, Schottland, Somaliland und Restsomalia jeweils eigene Statistiken führen.



Die Spitzenreiter in der Kategorie Mord


Die meisten Morde pro Kopf gibt es in El Salvador, wo jährlich von circa 1.600 Bürgern einer umgebracht wird (61,8 pro 100.000 Einwohner). Das ist happig und wirkt sich wie es scheint auf deren Bevölkerungsentwicklung aus, da seit Mitte der 1990er Jahre eine deutlich Abflachung des Zuwachses zu verzeichnen ist. Das bemerkenswerte daran ist, dass es in Deutschland circa 50% mehr Schusswaffen gibt als in El Salvador und in Österreich sogar 200% mehr, beide Länder aber weniger als 2% so viel Morde aufweisen.


Palmen, Strände, Blechtrommeln, Sozialismus und Morde


Hinter El Salvador liegen mit dem Kifferparadies Jamaika, Maduros realsozialistisches Utopia Venezuela und dem strukturellen Hinterhof Honduras gleich drei weitere Länder, die dem Großraum Lateinamerika/Karibik zuzuordnen sind.

Erst auf Platz fünf folgt dann mit Lesotho das erste Land jenseits dieser Region. Im südlichen Afrika verzeichnet man jedes Jahr ungefähr 41 Morde pro 100.000 Einwohner, was sich absolut gesehen auf 2.400 Mordopfer beläuft. Erstaunlich sind daran drei Aspekte. Erstens, es gibt kaum Waffen in dem Land, da sich nur einer von zwanzig ein derartiges Mordgerät leisten kann. Zweitens, es gibt in dem Land jedes Jahr fast vier Mal so viele HIV Tote als Ermordete, wobei drittens weder die Mordrate noch die HIV Epidemie etwas am Bevölkerungswachstum ausrichten können. Lesothos Bevölkerung wächst seit den 1960er Jahren jährlich konstant um 1,3%.

Am anderen Ende des Mordspektrums finden sich in den Top Zehn jeweils vier ostasiatische und vier arabische Länder. Vor allem in Singapur und Japan stirbt mit einem von einer halben Million kaum ein Mensch durch Gewalteinwirkung, wobei es in diesen beiden Ländern auch nur circa einer von 330 Menschen eine Schusswaffe sein Eigen nennt. In den arabischen Ölländer wiederum finden ebenfalls kaum Morde statt, obwohl dort fünfzig Mal so viel Waffen im Umlauf sind, als etwa in Japan.

Die beiden europäischen Mitglieder in den zehn mordfreiesten Ländern der Welt sind Norwegen und die Schweiz. Auffällig ist bei diesen, dass ähnlich wie in Japan zwar kaum Morde geschehen, dort aber noch einmal doppelt so viele Schusswaffen im Umlauf sind als in den ebenfalls mordarmen arabischen Ländern.



Die Spitzenreiter in der Kategorie Schusswaffenbesitz



Wenig überraschend führen die Vereinigten Staaten die Kategorie Waffenbesitz an und zwar mit einem überragenden Abstand. 120,5 Schusswaffen pro einhundert Einwohnern bedeuten, dass unter Abzug aller Kinder und Gefängnisinsassen im Schnitt jeder Einzelne zwei Stück zu Hause in der Schublade liegen hat. Gemessen daran sind die fünf Toten pro 100.000 Einwohner eine bemerkenswert niedrige Zahl, von denen die meisten überdies vermutlich irgendwo im Dreieck Detroit - Chicago - Baltimore ihr Leben verlieren. 


Wie werden Menschen in Taiwan und Indonesien ermordet??!

Auf Platz zwei der waffenstarrenden Länder folgt der von Geopolitik, Claninteressen und Bürgerkriegen zerrüttetete Jemen, wo noch immer etwas mehr als jeder zweite eine Schusswaffe zu Hause hat. Trotzdem liegt auch die Mordrate mit 6,66 Morden pro 100.000 Einwohnern nur unwesentlich höher als in den USA

Danach folgt eine Reihe von vor allem europäischen Ländern, zusammen mit Kanada, Uruguay und dem Libanon, in denen ebenfalls fast in jedem Haushalt eine Schusswaffe vorhanden zu sein scheint, wo es gleichzeitig jedoch fast japanisch zugeht im Hinblick auf Morde. Besonders bemerkenswert ist, dass mit Serbien und Bosnien-Herzegowina auch zwei Balkanländer zu den obersten Zehn dazugehören.

Keine Waffen in Privatbesitz wiederum gibt es in Taiwan und in Indonesien. Trotzdem werden dort gelegentlich Menschen ermordet, allerdings ist es kaum mehr als einer von einer Viertel Million, denen in Ermangelung an Bleischießgeräten wahrscheinlich jemand nachts im Schlaf das Kopfkissen ins Gesicht drückt.



Korrelierte heiße Luft




Korreliert man die Zahlen für Schusswaffenbesitz und Mord miteinander, dann ergibt sich für alle 159 betrachteten Länder ein Wert von -0,02 und das bedeutet, dass es keinen Zusammenhang zwischen beidem gibt. Selbiges gilt für die Größe des Landes und jeweils Morde und Schusswaffen. 

Waffen pro Morde

Wählt man nur jene Länder am jeweils extremen Ende der Skala, dann ergibt sich ein Korrelationswert von 0,5 für jene 23 Länder, in denen jährlich mindestens 10 Menschen pro 100.000 Einwohner gewaltsam umkommen. Das ist eindeutig ein positiver Zusammenhang, allerdings ist er zum einen aber nur relativ schwach ausgeprägt, und zweitens ist die Grundgesamtmenge mit 23 etwas zu niedrig für eine eindeutige Aussage.

Der Zusammenhang zwischen vielen Morden und vielen Schusswaffen kann daher insgesamt als nur schwach ausgeprägt bezeichnet werden. Andere Faktoren, die hier nicht betrachtet werden sind vermutlich bedeutsamer.

Korreliert man im Gegenzug alle Länder mit vielen Schusswaffen, es sind 17 an der Zahl, in denen mindestens jeder Fünfte im Besitz eines Schießeisens ist, dann kommt man mit 0,46 ebenfalls auf einen positiven Korrelationskoeffizienten. Aber auch hier gilt, dass die Grundgesamtheit klein ist und die Korrelation schwach. Aussagen sind nur bedingt möglich.

Plus: mehr Waffen = mehr Morde; Minus: mehr Waffen = weniger Morde

Nimmt man nun die beiden extremen Enden zusammen – interessanterweise gibt es keine Überschneidungen zwischen den 17 Waffenländern und den 23 Mordländern – dann kommt man auf einen Korrelationskoeffizienten von -0,37 und damit auf einen relativ deutlichen negativen Zusammenhang, der überdies mit 40 Stichproben statistisch aussagekräftig ist.

Dieser negative Zusammenhang ist gleichbedeutend damit, dass je mehr Schusswaffen es im Privatbesitz gibt, desto weniger gewaltsame Tode gibt es in dem jeweiligen Land. Glaubt man den üblichen Meinungen zum Thema, dann ist das so nicht zu erwarten.

Morde pro Waffe (ohne USA, da zu weit ab)

Auch die Korrelation der Zahlen jener Ländern, die in beiden Kategorien wie auch in den jeweiligen Einzelkategorien nicht am oberen Ende angesiedelt sind, bestätigen diese (Nicht-)Zusammenhänge. In der Mordkategorie gibt es mit -0,08 keinen Zusammenhang mit den Schusswaffen und in der Schusswaffenkategorie gibt es mit 0,16 nur einen vernachlässigenswerten Zusammenhang. In beiden Kategorien wiederum liegt der Wert bei -0,16 und ist daher ebenfalls nicht relevant.



Sind Schusswaffen ein Treiber der Mordrate?



Sofern die zugrundeliegenden Zahlen zuverlässig sind, dann ist das Fazit eindeutig. Schusswaffen sind definitiv nicht verantwortlich dafür, dass es in einem Land mehr Morde gibt. In der Tendenz lässt sich sogar das Gegenteil ableiten, wonach umso weniger Morde geschehen, je stärker bewaffnet die Bevölkerung des jeweiligen Landes ist.

Bemerkenswert sind mit den USA und einigen karibischen/lateinamerikanischen Länder vor allem die extremen Ausreißer in beiden Kategorien, da sie dem gängigen Narrativ diametral widersprechen und die verbreiteten Mythen eindeutig widerlegen.

Im Anbetracht der Zahlen scheint der Hang zu Mord und Schusswaffenbesitz eher eine Frage von Kultur und Alltagsmentalität zu sein, worauf die regionale Verteilung der Werte hindeutet. Ostasien mordet eher selten und hat auch nicht den Hang zum Schusswaffenbesitz, während der Besitz umso häufiger wird, je weiter man in Eurasien in Richtung Westen geht. Die Mordrate jedoch wird davon kaum beeinflusst.

Der extreme Wechsel entlang der Wasserscheide des Rio Grande von „Schusswaffen ohne Morde“ zu „Morde ohne Schusswaffen“ zeigt auch, dass Lateinamerika möglicherweise gut daran täte, sein Glück weniger im Sozialismus zu suchen und vielleicht eher bauen sollte auf Glock und Colt.