Zigeuner haben Lunik 9, schwarze Südafrikaner haben den Ponte Tower (Bildquelle) |
Nicht nur in Indien wird gewählt dieser Tage, auch in Südafrika stehen Wahlen an als dem zweiten Land dieser hochgelobten „BRICS“ Länder, denen die Zukunft gehören soll. Aber nicht nur im Falle Indiens muss bei näherem Hinsehen ein großes Fragezeichen hinter der Zukunftsfähigkeit des Landes gesetzt werden, wie dieser Artikel zeigt. Auch Südafrika plagen hausgemachte existenzielle Probleme, mit denen der große Sprung in die Zukunft als ein großer Fall ins Nichts enden könnte.
Quilette: Die eigentliche Frage bei der Wahl in Südafrika lautet, wie sich das Land vor dem Zerfall bewahren lässt
Am 8. Mai findet die sechste Wahl Südafrikas seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts statt. Es ist nunn 25 Jahre her, seitdem das Land den moralischen Abgrund der Apartheid hinter sich brachte. Die edlen und würdigen Träume von damals aber, die in der Zeit von Nelson Mandela die Stimmung prägten wurden allesamt von der Realität zerschlagen. In der Tat ist das Land von der schrecklichen Ironie konfrontiert, dass ausgerechnet die nagativen und sich um die Mehrheitsregel drehenden Prognosen weißer Nationalisten des Landes wahr geworden zu sein scheinen.
Das Land befindet
sich in einem schrecklichen Zustand: Ein aktueller Bloomberg Bericht
ergab, dass Südafrika in den letzten fünf Jahren bei einer
Vielzahl von Indikatoren schlechter abgeschnitten hat als jedes
andere Land der Welt - mit Ausnahme jener, die sich in einem
Kriegszustand befinden.
Die Korruption grassiert auf allen Ebenen und
vor allem bei der Polizei. Die seit 2007 immer wieder auftretenden
Stromausfälle haben sich stetig verschärft. Und obwohl es der
Regierung gelungen ist, das Licht für den Wahlkampf anzulassen, so
ist die optimistischste Prognose, dass wir uns auf weitere fünf
Jahre mit sporadisch aussetzender Versorgung einstellen müssen. Dies
wohlgemerkt in einem Land, das 1994 noch mit Strom überversort war
und das zu einem der günstigsten Tarife der Welt.
Die aggressive
Quotenpolitik für Benachteiligte hat dafür gesorgt, dass die
qualifizierten und erfahrenen Weißen, die einst die Kraftwerke
betrieben, verschwanden und nun woanders auf der Welt Kraftwerke am
laufen halten. An ihrer Stelle getreten sind viele tausend mehr
Arbeiter, die zwar höhere Löhne erhalten, die aber über kein
ausreichendes technisches Wissen verfügen. Südafrikas nationaler
Stromversorger Eskom hat
heute eine so hohe Schuldenlast, dass das Unternehmen nicht
einmal die Zinsen auf seine Schulden zahlen kann, geschweige denn
seine Kapitalkosten.
Alles ist schlechter als vor Ende der Apartheit
1994, als der
Afrikanische Nationalkongress (ANC) an die Macht kam lag die
Arbeitslosigkeit bei 3,7 Millionen, während sie heute fast 10
Millionen beträgt, und neueste Zahlen zeigen, dass Südafrika in den
Kategorien Einkommen, Konsum und Vermögen das
ungleichste Land der Welt. Sicherlich haben die Architekten der
Apartheid eine Gesellschaft hinterlassen, die bereits nicht nur
rassistisch, sondern auch ungleich war. Doch die Situation hat sich
durch den Aufstieg einer riesigen, überbezahlten Bürokratie und
einer korrupten politischen Elite noch verschärft.
Das Programm der
staatlich vorgeschriebenen schwarzen „Ermächtigung“ verlangt,
dass Unternehmen effektiv Eigenkapital an stille Gesellschafter
verschenken, mit dem nichts anderes erreicht werden soll, als die
Rassenbilanz auszugleichen. Nur wenige Unternehmen sind bereit zu
solchen Bedingungen zu investieren, so dass selbst viele der
ertragreichsten Minen geschlossen wurden und viele Arbeitsplätze
verloren gingen. Südafrika befindet sich nun im fünften Jahr in
Folge mit sinkenden Realeinkommen.
Soziale Unruhen sind
weit verbreitet. Mehr als 80 große öffentliche Bauprojekte liegen
brach, weil örtlichen Syndikate einen Anteil an den daraus
erwirtschafteten Gewinnen fordern. Kürzlich traf ein großer
Wirbelsturm die Provinz KwaZulu-Natal und tötete 70 Menschen. Die
Reaktion der vor Ort arbeitenden öffentlichen Angestellten bestand
darin, die Wasserversorgung zu den wohlhabenderen Vororten zu
unterbrechen und dazu drohten sie auch mit Stromausfällen, weil
sie die Krise als idealen Zeitpunkt sahen, um ihre Interessen
durchzusetzen. Die Regierung, deren Armee und Polizei in den letzten
Jahren immer mehr an Durchsetzungskraft verloren, scheint machtlos
diese Art von Verhalten zu stoppen, selbst wenn sie es wollte.
Ein politisches Personal bestehend aus Extremisten, Kriminellen und Verbrechern
Das Ergebnis der
anstehenden Wahl selbst steht jetzt bereits fest. Der ANC, der sich
immer noch stark auf seine Geschichte als Anti-Apartheidspartei der
Befreiung der Schwarzen stützt, wird wahrscheinlich fast 60% der
Stimmen gewinnen. Umfragen deuten darauf hin, dass die
liberal-demokratische Allianz an Boden verlieren wird, und dass die
extrem linken populistischen Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit
[Economic Freedom Fighters] ihre Stimme verdoppeln werden.
Die
ANC-Regierung hat sich bereits dazu entschieden, deren Forderung
einer Enteignung von Eigentum ohne Entschädigung umzusetzen, dazu
will die Partei einen völlig unbezahlbaren nationalen
Gesundheitsdienst aufbauen und eine Vielzahl anderer populistischer
Maßnahmen umsetzen. Aber auch ohne all diese Programme liegt die
Staatsverschuldung des Landes bei 60% des BIP, während zwei
Ratingagenturen die Schulden des Landes als Junk [Schrott] eingestuft
haben.
Die wichtigste Lehrergewerkschaft verkauft inzwischen
Lehrstellen an den Meistbietenden - und wer diese Machenschaften
aufdecken will, der wird eingeschüchtert oder sogar ermordet.
Krankenhäuser und Schulen sind unter das Niveau der Apartheidsära
gefallen. In vielen Fällen werden Medikamente und Decken von
korruptem Krankenhauspersonal verkauft. Überall im Land kollabieren
kleinere Ortschaften, weil die kommunalen Cliquen der ANC sämtliche
verfügbaren Mittel gestohlen haben, so dass die lokalen Behörden
nicht in der Lage sind, die dysfunktionale Infrastruktur zu
reparieren oder zu ersetzen, und so kann man des öfteren das
Abwasser auf den Straßen fließen sehen.
Für die
Demokratische Allianz (DA) als der politisch mittigen offiziellen
Opposition des Landes, deren Anteil in den letzten 25 Jahren stetig
zugenommen hat, mag eine solche Situation ein gutes Zeichen sein. In
dieser Wahl jedoch ist ihr Spitzenkandidat der junge unerfahrene
Mmusi Maimane, der es versäumte, schwarze Wähler anzuziehen und der
sogar die bestehende, hauptsächlich asiatische „farbige“ und
weiße Wählerschaft der Partei bei der Stange zu halten. Sollte die
DA am 8. Mai Stimmen verlieren, dann könnte er seinen Job verlieren
und in der Partei würde es interne Streitereien geben.
Unterdessen genießt
Cyril Ramaphosa als Parteichef des ANC einen Zustimmungswert von 60%
und sieht sich innerhalb seiner Partei keinem veritablen Konkurrenten
gegenüber. Er selbst ist zwar ein liebenswürdiger und wohlmeinender
Mann, aber er ist auch schwach und völlig unfähig, die
verschiedenen ANC-Fraktionen zu kontrollieren. Nicht nur die
südafrikanischen Wähler, sondern auch eine ganze Reihe von weißen
Geschäftsleuten (und
sogar Redakteure des Economist) setzten große Hoffnungen auf
Ramaphosa, der nach dem Rücktritt von Jacob Zuma im Jahr 2018 in
sein Amt kam. Die Chancen aber stehen nicht gut, dass er die in ihrn
gesteckten Erwartungen erfüllen kann.
Die ANC-Wahlliste ist
vollgepackt mit verurteilten Kriminellen, die wegen grob korrupten
Verhaltens für schuldig befunden wurden. Dazu gehören der
stellvertretende Präsident David Mabuza, dem die New York Times ein
großes Exposés widmete, sowie der ANC-Generalsekretär Ace
Magashule, dem Protagonisten des Buches Gangster
State: Unravelling Ace Magashule’s Web of Capture [in etwa
„Kriminellenstaat: Ace Magshules Schleppnetz enttarnt“]. Bei der
Veröffentlichung des Buches stürmten Magashules Anhänger die
Buchhandlungen, um Kopien des Buches zu verbrennen, während
Magashule selbst mit einer Klage drohte, auch wenn bislang noch keine
dahingehende Anzeige bekannt wurde.
Wenn die Apokalypse zum erwartbaren Szenario wird
Theoretisch könnte
Ramaphosa durch Kräfte, die seinem korrupten Vorgänger Jacob Zuma
treu ergeben sind, aus der ANC-Führung gedrängt werden. Aber selbst
Ramaphosas Feinde erkennen, dass seine Popularität als Person so
ziemlich das letzte ist, was der ANC noch übrig hat. Im besseren
Fall wird Ramaphosa nach seiner Wahlbestätigung beim IWF einen
Rettungskredit beantragen. Allerdings ist der ANC ideologisch
dagegen, weil jedem in der Partei klar ist, dass ein solcher Schritt
Strukturreformen und einen Kampf gegen die Korruption mit sich
brächte. Das wahrscheinlichere Szenario besteht also darin, dass die
Regierung Pensionsfonds und sämtliche anderen Kapitalkrümel, die
sie finden können, beschlagnahmen oder Finanzinstitute dazu zwingt,
Staatsanleihen zu kaufen, um sich aus der derzeitigen Krise herauszuziehen - auch wenn ein solches Vorgehen einfach nur die
Kapitalflucht beschleunigen und jene ausländischen Investoren
abschrecken würde, die Ramaphosa unbedingt anziehen will.
Ein weiteres
mögliches Szenario ist tendenziell eher apokalyptisch einzuordnen.
Die Abwärtsspirale könnte sich so beschleunigen, dass eine immer
verzweifelter werdende politische Elite die Schuld an der Misere auf
die Weißen und Asiaten des Landes schiebt (die 9% bzw. 2,5% des
Landes ausmachen) und damit eine offene Kernschmelze auslöst, wie es
in der Vergangenheit in Robert Mugabes Simbabwe beobachtet werden
konnte. Ich bin beileibe nicht der erste Journalist, der sich dieses
Szenario durch den Kopf gehen lässt, und es sind Ängste vor genau
diesem Szenario, die seit Jahren die massive Auswanderung von
qualifizierten und wohlhabenden Weißen und Asiaten aus dem Land
antreibt.
Ein weiteres
katastrophales Szenario besteht darin, dass die Regierung immer mehr
die Kontrolle über das Land verliert, was mimt einer Aufteilung
Südafrikas in seine regionalen Teile enden würde. Frans
Cronje, Leiter des linken Instituts für Rassenbeziehungen sieht
eine Zukunft auf uns zu kommen, in der eine kleine weiß-schwarze
Mittelschicht in einigen der größeren Städte weiterhin in einer
wohlhabenden Blase leben wird, während das Umland von räuberischen
Häuptlingen regiert und der Rest des städtischen Südafrika von
mörderischen Banden heimgesucht wird. Manche meinen, wir seien jetzt
schon nicht mehr weit davon entfernt.
Selbst wenn der Wille vorhanden wäre, der Punkt ohne Wiederkehr ist möglicherweise bereits überschritten
Abschließend sei
darauf hingewiesen, dass Südafrika zwar durch sein Erbe der
Apartheid einzigartig ist, sich aber mit dem gleichen Problem der
unkontrollierten Migration herumschlagen muss, wie es andere und
weitaus reichere Länder betrifft. Das System der Grenzkontrollen ist
zusammengebrochen, was dazu führte, dass Millionen von Simbabwern,
Malawiern, Kongolesen und anderen in ein Land geströmt sind, das
schon für die Einheimischen nicht über genügend Arbeitsplätze
verfügt.
Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit meint, es gäbe
zu viele Ausländer in Südafrika, und dazu kommt es immer wieder zu
sporadischen Ausbrüchen fremdenfeindlicher Gewalt . Der Regierung
sind derartige Zwischenfälle zwar peinlich, hat aber keine Mittel
für eine wirksame Reaktion. Stets lauert die schreckliche Gefahr,
dass zu wirklich katastrophalen Gewaltexzessen gegen Neuankömmlinge
kommen könnte.
Man muss nicht extra
betonen, dass es sich beim heutigen Südafrika nicht mehr um jenes
Land handelt, das 1994 von Nelson Mandela und einer glücklichen Welt
1994 mit Begeisterung begrüßt wurde. Es war stets ein etwas zu
hoher Anspruch an die ANC-Elite, nach Generationen
institutionalisierter weißer Vorherrschaft in die Rolle des
kompetenten Machthabers hineinzuwachsen. Allerdings haben sie an der
Macht bei weitem katastrophalere Dinge getan, als jeder erwartet
hätte.
Nur dann, wenn Ramaphosa den Mut hat, nach der Wahl große
Reformen durchzusetzen und seine korrupten Kollegen ins Gefängnis zu
werfen, dann wäre eine Stabilisierung Südafrikas in der langen
Perspektive noch denkbar. Jedoch wäre das viel verlangt von einem
66-jährigen Mann, der noch immer in überkommenen
afro-nationalistischen Phrasen gefangen zu sein scheint. Die traurige
Wahrheit ist, dass er eher den Vorsitz über den anhaltenden
Niedergang meines Landes hin zu immer mehr Armut und Chaos führt,
als den Vorsitz darüber, diese Entwicklung abzuwenden.