23. April 2019

Dänische Sozialbehörden wollen aus Iran geflohener Journalistin wegen Islamkritik das Adoptivkind wegnehmen

Bald auch in Dänemark? (Bildquelle)

Wer denkt, in Dänemark ist alles besser, der sollte sich diesen Artikel gut durchlesen. Nicht anders als in Deutschland, Schweden oder sonstwo im multikultibeseelten EU-ropa bekommt man für legitime Kritik am radikalen Islam die Schuld zugewiesen, wenn man sich dadurch in Gefahr begibt, von den Extremisten umgebracht zu werden. Dabei zählt nicht das Geschlecht, der Migrationshintergrund oder einschlägige Erfahrungen mit der Materie Koran. Im Gegenteil, die Behörden grasen systematisch alles ab und zerstören einem das Leben. Trotz migrationskritischer dänischer Krone, trotz mitte-rechter Regierung, trotz der vermeintlichen Offenheit des dänischen Diskurs.


Quilette: Dänemarks blasphemische Mutter



„Das ist ein Alptraum. Wir stehen unter Schock“, sagt Jaleh Tavakoli. Im vergangenen Monat erhielt die 36-jährige iranisch-dänische Islamkritikerin von den dänischen Sozialbehörden die Nachricht, dass sie nicht mehr in der Lage sei, für das 8-jährige Kind zu sorgen, das kurz nach dessen Geburt adoptierte. Warum? Tavakoli, eine Kolumnistin und Autorin meint, dass es an ihren politisch inkorrekten Ansichten über den Islam liegt. Die Sozialbehörden behaupten, dass sie sich nur um das Wohl eines potenziell gefährdeten Kindes sorgen würden. Tavakoli muss wegen ihrer Islamkritik unter Sicherheitsvorkehrungen leben, nachdem sie auf den Straßen von Kopenhagen bedroht wurde, wobei sie im Jahr 2015 sogar von Dschihadisten attackiert wurde. Für Tavakoli ist die drohende Wegnahme ihres Kindes die schwerste Herausforderung ihres Lebens, während sich gleichzeitig die dänische Gesellschaft fragen muss, wo die Grenze liegen soll für den radikalen Islam, wenn dieser mit der Meinungsfreiheit kollidiert und die Rechte von Kindern in die Schusslinie geraten.

Dänemark ist ein Königreich mit nur 5,7 Millionen Einwohnern und ist eines der lebenswertesten Länder der Welt. Der kleine nordische Staat wird wegen seines starken universellen Gesundheitssystems, seines hohen sozialen Vertrauens und seiner äußerst großzügigen Sozialleistungen beneidet. Im Jahr 2018 war Dänemark laut UN-Weltglücksbericht das Land mit den drittglücklichsten Bürgern (seit Beginn des Berichts im Jahr 2012 hat Dänemark die Liste dreimal angeführt).

In Dänemark haben sich auch Hunderttausende Einwanderer angesiedelt, die hauptsächlich aus dem Nahen Osten, Afrika und Osteuropa stammen. Heute sind rund 10 Prozent der Bevölkerung Einwanderer - ein rascher demografischer Wandel, der erst in den letzten Jahrzehnten begann. Und doch konnte sich Dänemark unter der Decke des gesellschaftlichen Glücks und seines Wohlfahrtsstaates nicht freihalten von sozialen und politischen Spannungen, die es heute in fast allen Ländern Europas gibt. Auch am glücklichsten Ort der Welt wird das politische Tagesgeschehen bestimmt von den Themen Migration, Islamismus und Integration.

In diesem Zusammenhang haben Tavakolis Schriften in den letzten zehn Jahren viel positive Resonanz, aber auch Widerspruch gefunden. „Islam, muslimische Einwanderung und der Tod Europas.“ „Hört auf, in Dänemark Asylanträge zu bearbeiten.“ „Muslime trennen Familien.“ Das sind die Titel einige ihrer Kolumnen, die in der Jyllands-Posten erschienen. Die Tageszeitung ist außerhalb Dänemarks bekannt für die Veröffentlichung der satirischen Mohammed Karikatur im Jahr 2005, die weltweit tödliche Proteste auslöste. 

Für die Dänen war es ihr Salman Rushdie-Moment - eine Markscheide, die vom Mainstream behandelt werden musste und Fragen aufwarf hinsichtlich islamischer Ansichten zur Blasphemie in Europa. Seitdem stieg die Bedrohung durch den radikalen Islam allerdings nur noch weiter an. Geheimdienste berichten, dass die größte Terrorgefahr des Landes heute von Sympathisanten des militanten Islamismus ausgeht. Sie schätzen, dass seit 2012 rund 150 dänische Staatsangehörige das Land verlassen haben, um sich im Nahen Osten dschihadistischen Bewegungen wie dem islamischen Staat anzuschließen. Rund ein Drittel dieser gewaltbereiten Fanatiker ist inzwischen zurückgekehrt.

Im vergangenen Dezember teilte Tavakoli auf ihrer persönlichen Seite bei Facebook einen Link zu zu einem Beitrag bei Reddit, wo das Enthauptungsvideo der dänischen Touristen Louisa Vesterager Jespersen in Marokko durch ISIS-Dschihadisten zu sehen war. Neben ihr haben die Dschihadisten damals auch die norwegische Touristin Maren Ueland getötet. Am 13. März erhielt Tavakoli wegen dieses Links einen Brief von Socialtilsyn Øst, einer lokalen Sozialbehörde.

„Die Sozialbehörde beabsichtigt, Ihnen die Genehmigung als Pflegemutter zu entziehen“, ließ das Schreiben verlautbaren. „Die Sozialbehörde hat am Donnerstag, den 7. März 2019 in der Presse gelesen, dass Sie, Jaleh, wegen Verstoßes gegen §264 d, Akt 2 des Strafgesetzbuches angeklagt wurden, weil Sie ein Video im Sozialen Medium Reddit teilten.“

Zwar wurde Tavakoli noch nicht angeklagt wie in der Presse berichtet wurde, allerdings wird nun gegen sie und 13 weitere Personen wegen der Weitergabe des Videos ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, unrechtmäßig die Privatsphäre des Opfers und seiner Familie verletzt zu haben. Zwei Personen müssen mit einer zusätzlichen Strafzahlung rechnen, da sie sich positiv über den Inhalt des Videos äußerten. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Jackob Berger Nielsen hat den Medien mitgeteilt, dass der in den Fällen zur Anwendung kommende Teil des Strafgesetzbuches Menschen vor der unbefugten Verbreitung von Bildern im Internet schützt und typischerweise zur Verfolgung von Personen verwendet wird, die im Internet Rachepornos verbreiten. Es sind bislang dagegen keine Fälle bekannt, in denen das Gesetz auf Terrorismusvideos angewandt wurde. Die Höchststrafe für Tavakoli beträgt drei Jahre im Gefängnis.

Ihre Familie hat seitdem die Dienste eines Anwalts in Anspruch genommen, wie sie mitteilte, wobei das schlimmste für sie die Unsicherheit über die Zukunft ihres Pflegekindes sei. Dennoch steht sie zu ihrer Entscheidung, das Video geteilt zu haben und begründet es als eine Angelegenheit von journalistischem öffentlichem Interesse.

Ein Beamter der Sozialbehörde Øst erzählt mir, dass die politischen Ansichten der Eltern nicht in ihren Bewertungsprozess einfließen. Dänemark verfügt wie auch die benachbarten nordischen Länder über starke Institutionen und Familiengesetze zum Schutz von Kindern. In ganz Skandinavien genießen die Rechte von Kindern in der Regel höchste Priorität.

In dem vierseitigen Schreiben der Sozialbehörde wird die Frage aufgeworfen, ob sich Tavakoli als Pflegemutter eignet und führt Punkte an, die dagegen sprechen:
  1. Ihre (anhängige) Strafanzeige.
  2. Die Weitergabe des Videos.
  3. Die Wirkung ihres Aktivismus auf das Kind.
  4. Ihr Versagen, als „digitales Vorbild“ zu fungieren.
  5. Das Risiko, dass ihre öffentliche Exposition negative Auswirkungen auf das Wohl ihrer Familie haben könnte.

Tavakoli betont, dass sie ihre Kinder (sie hat auch ein leibliches Kind) nie in ihren Aktivismus einbezogen hat. „Mein Kind weiß nicht einmal, was der Islam ist.“ Die Drohungen gegen sie allerdings haben sie gezwungen, eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, auf die sie nicht näher einging. Der Brief der Sozialbehörde weist dazu auch darauf hin, dass sie der Behörde nicht von sich aus mitgeteilt hat, dass es polizeiliche Ermittlungen gegen sie gibt - etwas, das sie zu übersehen zugibt. Das Schreiben schließt mit der Feststellung, dass die Beurteilung über sie zwar endgültig sei, aber dass sie eine Anhörung beantragen kann.

Die von dem Brief noch immer erschütterte Tavakoli nimmt an, dass die Sozialdienste den Kontext des Videos nicht in ihrer Bewertung berücksichtigt haben. Sie drückte ihre Frustration darüber aus, wie die dänischen Medien zunächst auf Euphemismen zurückgriffen, um den abscheulichen Mordanschlag auf die beiden Touristinnen zu beschreiben. „In den Medien hieß es, sie wurden tot aufgefunden, und dass es Anzeichen von Gewaltanwendung gab. Das aber kann alles bedeuten.“ Für sie war das Teilen des Links zum Video nichts anderes, als wenn Medien Bilder oder Videos verbreiten, auf denen vom IS ermordete Opfer zu sehen sind.

Tavakolis Konfrontationshaltung gegenüber der staatlichen Behörde ist in Dänemark relativ untypisch als einem Land mit einer stark ausgeprägten Konsenskultur. Tavakoli stammt jedoch aus einer iranischen Dissidentenfamilie. Geboren und aufgewachsen ist sie nach der Islamischen Revolution von 1979, sie ist also mit dem religiösen Fundamentalismus und dem politischen Islam bestens vertraut. Mir selbst zeigte Tavakoli 1991 ein Foto von sich aus Teheran, das sie kurz vor der Auswanderung von dort zeigte. Auf dem Foto sieht man sie in einer großen Gruppe junger Mädchen - allesamt in weißem Kopftuch - bei einer Takleefzeremonie, die etwa vergleichbar mit der Kommunion oder Konfirmation ist.

„Wenn man im Islam als Mädchen neun Jahre alt wird, dann ist man eine Frau. In der Schule musste ich vorgeben, eine Muslimin zu sein.“ Für sie standen die von den dänischen Medien verwendeten Euphemismen zur Beschreibung des dschihadistischen Mordanschlags in Marokko symbolisch für die Angst, die haben haben muss, wenn man offen über den radikalen Islam spricht.

Neben ihrer Kritik am Islam und an muslimischen Praktiken spricht sie sich auch gegen das iranische Regime aus – und damit setzt sie sich realen Risiken aus. Im vergangenen September wurde die gesamte Insel Seeland, auf der sich Kopenhagen befindet, ohne Vorwarnung in einer massiven Polizeiaktion abgeriegelt, nachdem die Behörden einen Hinweis erhielten, dass der Iran angeblich einen Terroranschlag gegen Aktivisten auf dänischem Boden plant. Die Brücken zur Insel wurden geschlossen und Züge und Boote durften nicht ein- oder ausfahren, was zu stundenlangem Chaos führte. Obwohl Tavakoli bei diesem versuchten Anschlag nicht im Visier war, ist sie in der jüngeren Vergangenheit mehrmals nur knapp dem Tod entkommen.

Im Februar 2015 überlebte sie einen dschihadistischen Angriff durch den 22 Jahre alten Omar Abdel Hamid El-Hussein auf sie, bei dem es sich um einen dänischen Staatsangehörigen mit palästinensischem und jordanischem Wurzeln handelt. Sie half zu der Zeit gerade bei der einer Kopenhagener Veranstaltung zur freien Meinungsäußerung, an der auch der umstrittene schwedische Künstler Lars Vilks teilnahm. Vilks steht auf den Todeslisten zahlreicher dschihadistischer Gruppen ganz oben - darunter Al-Kaida und Al-Shabab – die ihn tot sehen wollen, weil er 2007 eine Zeichnung von Mohammed als Hund anfertigte. Bis heute hat er mehrere Attentate muslimischer Extremisten aus Europa und den USA überlebt. Obwohl sich kurz vor der Veranstaltung das Attentat auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt ereignete, beschlossen die Organisatoren, die Veranstaltung nicht abzusagen. Im Gegenteil, sie luden den damaligen französischen Botschafter ein, der die Eröffnungrede hielt.

„Wir hatten die Veranstaltung schon fertig geplant und obwohl wir sehr nervös waren, wollten wir sie alle auch durchführen“, erinnert sich die leitende Organisatorin und Autorin Helle Brix. Sie gingen davon aus gut vorbereitet zu sein, wobei dänische und schwedische Beamte bei der Veranstaltung für Sicherheit sorgten – allerdings sollte es anders kommen. El-Hussein kam mit einem gestohlenen Gewehr zum Veranstaltungsort und schoss fast 30 Mal durch die Fenster des Gebäudes. Im Außenbereich wurde ein Veranstaltungsteilnehmer getötet. El-Hussein floh dann in einem gestohlenen Fahrzeug. „Die Polizei und die Leibwächter hatten Pistolen, der Terrorist hatte ein automatisches Gewehr“, erinnert sich Brix. „Hätte die Polizei nicht sofort zurückgeschossen, dann wäre er in den Saal gekommen.“

Auf seiner Flucht tötete El-Hussein am nächsten Morgen einen jüdischen Freiwilligen in der Großen Synagoge von Kopenhagen. Erneut konnte er fliehen, konnte schließlich aber bei einer Schießerei mit der Polizei im Kopenhagener Migrantenviertel Nørrebro, wo er aufwuchs, getötet werden. Letzte Woche kam es gerade wieder zu Unruhen in der Gegend, nachdem der extreme Politiker und Provokateur Rasmus Paludan dort einen Protest abhielt und dabei einen Koran auf den Boden warf. Einige der gewalttätigen Randalierer reagierten darauf mit „Allahu akbar“ und legten Feuer auf der Straße.

Tavakoli teilte mir mit, sie sei weiterhin entschlossen, über den islamischen Extremismus zu sprechen und zu schreiben, obwohl sie auch zugibt, dass sie dabei Angst um ihre eigene Sicherheit hat. „Ich musste feststellen, dass die dänische Öffentlichkeit die Zusammenhänge nicht wirklich versteht. Politiker würden fragen: ‚Warum musstest du auch provozieren?‘“

Seit Februar 2015 haben die Geheimdienste in Dänemark eine Reihe von Terroranschlägen vereitelt. Im September dieses Jahres griff ein Palästinenser in einem Asylzentrum nördlich von Kopenhagen einen Polizisten unter „Allahu akbar“ Geschrei mit einem Messer an. Im Jahr 2017 wurde eine jugendliche muslimische Konvertitin wegen der Absicht verurteilt, zwei Schulen in die Luft zu sprengen - eine davon war eine jüdische Schule. Und im vergangenen Dezember wurde ein syrischer Mann angeklagt, in Kopenhagen einen Terroranschlag mit Messern und Sprengstoff geplant zu haben. Trotz dieser Realitäten bleiben der Islam und der islamische Extremismus weiterhin sensible Themen im Mainstream des Landes. Nach dem Terroranschlag von El-Hussein legten die Dänen zum Gedenken tatsächlich Blumen ab an der Stelle, wo eine Person getötet wurde. Auch über 600 Menschen aus der muslimischen Gemeinschaft nahmen an seiner Beerdigung teil.

„Irgendwann muss alleine aus Selbstrespekt zugeben, dass man ein Verbrechen als das sieht was es ist, und nicht nur die Farbe des Verbrechers“, sagt Tavakoli. „Sie denken oder hoffen, dass der islamische Extremismus von selsbt verschwinden wird. Das aber wird er nicht.“ Sie befürchtet, dass die Unterdrückung der politischen Diskussionen über den radikalen Islam am Ende nur radikale oder militante Strömungen in der Gesellschaft fördern wird. Bei den bevorstehenden Parlamentswahlen hat die Neue Rechte, eine antiislamistische populistische Partei gute Chancen, zum ersten Mal ins Parlament einzuziehen.

Jaleh Tavakoli Freunde im journalistischen Metier meinen, sie soll sich ruhig verhalten und darauf konzentrieren, die Tortur mit ihrer bislang noch intakten Familie zu überwinden. Sie aber bleibt hart. „Wo bleibt der Gerechtigkeitssinn? Wenn ich ruhig sein soll, dann kann ich genauso gut zurück in den Iran ziehen. Wir werden jetzt mehr denn je um unser Adoptivkind kämpfen.“ Tatsächlich könnte sich ihre Beherztheit in der Angelegenheit letztendlich doch als Teil der Lösung erweisen. Nachdem sie in den Medien auf die drohende Wegnahme des Kindes aufmerksam machen konnte, erhielt sie die Unterstützung mehrerer Politiker und sogar des ehemaligen Vorsitzenden des dänischen Nationalrates für Kinder. Die Sozialbehörden unterdessen teilten ihr inzwischen mit, dass sie ihre ursprüngliche Entscheidung noch einmal überprüfen wollen.