3. März 2019

Pakistan: Mit der Staatsdoktrin des islamischen Dschihad auf die Rutschbahn in den Ruin


Das "Pakistan Monument"; links und rechts davon herrschen Not und Elend (Bildquelle)

Hier der kurze Abriss der Geschichte eines Landes, das nach seiner Unabhängigkeit die besten aller Voraussetzungen mitbrachte: Geografie, Geopolitik und Durchschnittseinkommen sprachen alle für Pakistan, einem Land, das einst deutlich besser dastand als alle seine Nachbarn. Doch dann kamen die Hybris, der radikale Islam und die Staatsdoktrin des Dschihad und der Tiger auf dem Sprung verwandelte sich sukzessive in einen kaputten Fetzen, mit dem heute niemand mehr etwas zu tun haben möchte.

The Print: Pakistans 50 Jahre dauernde Blutfehde gegen Indien, die in die Selbstzerstörung führte und wie Imran Kahn die Entwicklung beenden kann



Pakistans Premier Imran Khan kann genau so weitermachen in Pakistan wie es dort in der Vergangenheit getan wurde, oder aber er kann ein neues Kapitel aufschlagen und etwas neues versuchen.

Will man heute über Pakistan sprechen, dann muss man zunächst zwei Fragen klären. Erstens, ob man sich auf die Geschichte, die Geographie oder die Politik des Landes konzentrieren will. Und zweitens, egal für welchen Wendepunkt in der noch jungen Geschichte Pakistan man sich entscheidet, wo soll man beginnen? Ich könnte zum Beispiel mit 2019 beginnen, also heute und auf die Heimkehr des über Pakistan abgeschossenen Piloteneingehen. Ich hätte als Startpunkt aber auch genauso gut 2009, 1999, 1989 oder 1979 wählen können.

Im folgenden möchte ich ganz weit zurück ins Jahr 1969, aber keine Sorge, es wird nicht allzu lange dauern.

Es war nämlich im Jahr 1969, als muslimische Länder in ihrer Verzweiflung über den spektakulären Sieg Israels im Sechstagekrieg von 1967 die „Organisation der Islamischen Konferenz“ (heute „Organisation der Islamischen Zusammenarbeit“; OIC) gründeten. Als Land mit großer muslimischer Minderheit wollte die damals regierende Indira Gandhi Indien nicht außen vor halten und beauftragte Minister Fakhruddin Ali Ahmed (später Präsident von Indien) damit, eine indische Delegation dorthin zu schicken.

Ihre Entscheidung damals wurde von einem empörten Pakistan vereitelt. Es suchte Unterstützer in der islamischen Umma und bekam diese. Die islamische Welt übernahm dabei die Logik, dass kein Land Mitglied der OIC werden kann, das nicht mehrheitlich muslimisch ist, auch wenn Indien damals die größte muslimischen Bevölkerung der Welt beheimatete. Zu dem Zeitpunkt, das sollte man dabei nicht vergessen, waren Pakistan und Bangladesch noch nicht geteilt und so hatte Großpakistan ein entsprechend schweres Gewicht. Indien jedenfalls wurde die Mitgliedschaft verwehrt und international gedemütigt.

Springen wir nun wieder genau 50 Jahre nach vorne zum heutigen Tag. Man beachte die indische Außenministerin Sushma Swaraj, die als Ehrengast am aktuellen OIC-Gipfel teilnimmt. Sie hielt dort eine fein ausgearbeitete Rede, in der sie Indien als die Heimat der drittgrößten muslimischen Bevölkerung der Welt bezeichnete. Sie sagte, Indiens Muslime seien ein wesentlicher Bestandteil der Vielfalt unseres Landes, während weniger als 100 von ihnen ISIS beigetreten seien.

Natürlich ließen sich hier einige stichhaltige Argumente einwerfen, sei es die Marginalisierung und „Desintegration“ wichtiger islamischer Strömungen unter indischen Muslimen, oder die allgemeine Verteufelung der muslimischen Kaschmiri Indiens. Dabei darf man aber nicht die Bedeutung übersehen, die es hat, wenn derartige Worte an die Muslime der Welt gerichtet werden von einer Frau, die Mitglied einer konservativen hinduistisch-nationalistischen Regierung ist. Mehr noch, man spürt förmlich das schmollende Pakistan dabei, das sich aus Protest gegen die Einladung Indiens von diesem OIC-Gipfel fern hielt.

Vor fünfzig Jahren hatte Pakistan die Macht, gegen die Präsenz Indiens in der ersten islamischen Organisation ein Veto einzulegen. Heute kann das Land nur noch seinen hohlen Ärger nach außen kehren und die Demütigung mit einem Boykott ausdrücken. Die Frage ist, wie schaffte es Pakistan - das sich immerhin als "Zitadelle des Islam" (Islam ka Qila) bezeichnet, das über Atombomben und fortschrittliche Raketen verfügt und in dem fast 200 Millionen Muslime leben - dass es in so einer prekären Lage endete? Das sollte einem einiges an Kopfzerbrechen bereiten.

Gehen wir noch einmal zurück, dieses Mal um 40 Jahre ins Jahr 1979. Pakistan hatte noch den verlorenen Krieg von 1971 im Gedächtnis und löste sich in seine beiden Teile auf. Es war immer noch im Begriff des Wiederaufbaus, was ganz gut lief, als die Sowjetunion in Afghanistan einmarschierte. Dies rief Amerika und seine Verbündeten auf den Plan - darunter Saudi-Arabien - und die heutige Af-Pak-Region wurde zum heißesten Schlachtfeld des Kalten Krieges. Pakistan wurde in der Zeit zu Amerikas willigem, fähigen und unverzichtbaren Verbündeten. Was begann war der Prozess einer einfachen Wiederbewaffnung des pakistanischen Militärs, was den neuen Diktator Zia-ul Haq stärkte, der sich im Laufe der Zeit aber als der wahre Feldherr des Dschihad zu sehen begann.

Die neue Macht war ihm zu Kopf gestiegen. Sein Kalkül bestand darin, dass wenn sie doch so erfolgreich Krieg gegen eine Supermacht führen können, warum soll das eigentlich nicht auch gegen Indien funktionieren? Daraus entwickelte sich in Pakistan eine Art nationale Hybris. Die militanten Aktionen im indischen Punjab begannen 1981 und auf den dortigen Einsatz von AK-47s folgten schnell auch RPG-7 Granatwerfer. Das waren auch die beiden Standardwaffen des afghanischen Dschihad.

Meine erste Reise nach Pakistan fand im Sommer 1985 statt, als die militante Phase im indischen Punjab ihren Höhepunkt erreichte, und ich wollte dort den Prozess gegen den Sikh Kapitän eines Flugzeugs der Indian Airlines verfolgen. Ich war beeindruckt von den Unterschieden in Bezug auf den Wohlstand der Bürger, die Lebensqualität, die Infrastruktur und sogar die Qualität der Telekommunikationsdienste, die in der Zeit vor dem Internet wie Sauerstoff für Journalisten waren. Kurz gesagt, im Jahr 1985 führte der durchschnittliche Pakistani ein viel besseres Leben als der Durchschnittsinder. Die Zahlen zeigen, warum das so war. Das Pro-Kopf-Einkommen Pakistans lag damals rund 60 Prozent höher als jenes von Indien.

Und noch einmal ein Sprung nach vorne ins Jahr 2019. Heute verdient der durchschnittliche Inder etwa 25 Prozent mehr als der Pakistani. Wie, stellt sich die Frage, konnten die Pakistanis trotz ihres neu gefundenen geostrategischen Wertes für die Gewinner des Kalten Krieges nicht nur einen Vorsprung von 60 Prozent verlieren, sondern gleich so weit zurückfallen? Dieser Abstand nimmt jedes Jahr um fast fünf Prozentpunkte zu. Die indische Wirtschaft wächst um rund drei Prozentpunkte schneller als die pakistanische, während ihre Bevölkerung doppelt so schnell wächst wie die indische. Das Nettoergebnis dieser Diskrepanz führt zu einer immer größeren Differenz im BIP pro Kopf zwischen den beiden Ländern.

Wie konnte das nur so kommen? Zulfikar Ali Bhutto drohte in seiner Zeit mit einem 1.000 Jahre dauernden Krieg gegen Indien. Seit 1969 hat Pakistan seine Vorrangstellung gegenüber Indien so sehr verloren, dass inzwischen sogar die Weltumma Indien bevorzugt. Im Lauf der letzten 40 Jahre, seitdem das Land die Doktrin des Dschihad in sein Staatsverständnis aufgenommen hat, wurde gleichzeitig Pakistans gesamte Wirtschaft ruiniert. Aber das ist nicht der ganze Preis, den Pakistan für diese permanente Blutfehde mit Indien zahlen musste. Es gibt mehr.

Im Jahr 1989 verhandelten die besiegten Sowjets über ihren Rückzug aus Afghanistan. Die mit siegreichen Pakistaner richteten daraufhin instinktiv ihre Aufmerksamkeit nach Osten. Genau zu diesem Zeitpunkt begannen dann die anhaltenden Probleme im indisch kontrollierten Jammu und Kaschmir. Die selbst ernannten Ghazis in Khaki sollten nun jenen Dschihad gewinnen, der Pakistan wirklich wichtig war. Die nächsten drei Jahre waren die blutigsten von allen. In Kaschmir und Punjab zählten sie die Leichen zu Tausenden.

Aber Pakistan kämpfte zu der Zeit auch mit einigen internen Veränderungen. Demokratische Kräfte schlugen oft zurück, und Zias militärische Erben stritten sich mit den zivilen Politikern. Nawaz Sharif, ursprünglich ein Favorit der Armee, bevorzugte den Frieden. Er wagte es, genau ein Jahrzehnt nach dem Beginn des Aufstands in Kaschmir, im Januar 1999, Frieden mit Vajpayee zu schließen. Seiner Armee gefiel das nicht und so infiltrierte sie Kargil noch im selben Winter.

Pakistan hat diesen Krieg und dazu zwei weitere wichtige Positionen verloren: Erstens, die global anerkannte Ansicht, wonach Kaschmir ein umstrittenes Gebiet sei endete hier. Auf dem internationalen Parkett herrschte von da an eine neue Einigkeit darüber, dass die Kontrolllinie zwischen Indien und Pakistan die faktische Grenze zwischen Indien und Pakistan darstellte, die es zu respektieren galt. Zweitens verlor Pakistan noch im selben Jahr wieder seine hart erarbeitete Demokratie, als Pervez Musharraf Nawaz die Regierung stürzte. In nur 10 Jahren verlor Pakistan also sein moralisches Anrecht auf Kaschmir und kehrte darüber hinaus zu einer Militärregierung zurück. Das alles nur wegen der selbstzerstörerischen Besessenheit, die mit der Ideologie des Dschihad einhergeht.

Seitdem sind wir einen langen Weg gegangen. Mit dem Wahnsinn des 26.11.2008, als sich der Terrorangriff in Mumbai ereignete, erhielt Pakistan den schrecklichen wie wohlverdienten Status der Heimstätte des globalen Dschihad. Damals, wie auch bei den Auseinandersetzungen mit Pakistan zuvor, hatte Indien die Welt auf seiner Seite, indem es verantwortungsbewusst handelte und keine Vergeltungsmaßnahmen ergriff. Heute hat Indien die Welt fest auf seiner Seite - und zwar einschließlich Saudi-Arabiens und der VAE, wie auch dem Recht auf eine angemessene Vergeltung gegen pakistanische Aggressionen.

Zeit für eine Bilanz:

  • Im Verlauf der letzten 50 Jahre verlor Pakistan seine Vormachtstellung in der islamischen Welt. Die Araber empfehlen dem Land immer öfters sich zurückzuhalten, während der westliche Nachbar, die islamische Theokratie des Iran, gegenüber Pakistan offen feindselig gestimmt ist.
  • In den letzten 40 Jahren hat das Pro-Kopf-Einkommen im relativen Vergleich zu Indien fast 90 Prozent seines Wertes verloren und ein Ende ist nicht in Sicht.
  • In den letzten 30 Jahren hat Pakistan seine Kampagnen im indischen Punjab und Kaschmir verloren, während sich gleichzeitig in seinen Städten und Institutionen dschihadistische Gruppen und Strukturen verankern konnten.
  • Und in den letzten zwei Jahrzehnten ist die Waffenstillstandslinie zur De-facto-Grenze in Kaschmir geworden, niemand hat Verständnis für Terror als politisches Instrument, tatsächlich gibt es nicht einmal eine symbolische Missbilligung dafür, dass Indien gerade das pakistanische Festland bombardiert hat, während Indien und der Rest der Welt Pakistans Atomwaffenbluff keinen Glauben mehr schenken.

Pakistans Premier Imran Khan kann genau so weitermachen in Pakistan wie es dort in der Vergangenheit getan wurde, oder er kann ein neues Kapitel aufschlagen und etwas neues versuchen. Sollte Khan den Versuch einer Erneuerung wagen, dann mag dies riskant sein, aber es gibt durchaus auch eine Chance auf Erfolg. Wenn er es dagegen nicht versucht, dann sind zwei Dinge garantiert: Erstens, der persönliche Misserfolg für ihn, und zweitens das weitere kontinuierliche Abrutschen seines Landes und das trotz eines talentierten Volkes, trotz des starken Nationalismus, trotz der geographischen Vorteilhaftigkeit und trotz einer gewaltigen Armee. Das ist es, was für Pakistan und seine Regierung unter Imran Kahn auf dem Spiel steht.