Jamal Khashoggi vorher/nachher (Bildquelle 1,2) |
Ausnahmslos alle
Medien weltweit berichten über den Mordfall an
Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat von Istanbul, der durch
saudische Offizielle bestialisch ermordet worden sein soll.
Oberflächlich scheint klar zu sein, wer in diesem Fall die Bösen
sind: Es sind die Getreuen um den saudischen Kronprinz, der die Ermordung angeordnet
haben soll. Immer dann aber, wenn alle unisono über etwas berichten -
und in diesem Fall auch die alternativen Medien im Gleichklang
mitschreiben - muss man sich fragen, ob die präsentierte Perspektive
wirklich das Gesamtbild unverzerrt widerspiegelt, oder ob es da eine
zweite Ebene geben könnte.
Der janusköpfige Journalist Khashoggi
Bei der Achse des
Guten ist gerade ein
ausführlicher Artikel erschienen, der sich mit der Person
Khashoggi beschäftigt. Einem Mann, der als freiheitsliebender
Journalist hingestellt wird, der aber offenbar über eine zweite
Seite verfügte, die er nur wenigen offenbarte. Mit der Achse als Medium, das sehr
nahe an israelischen Interessen liegt muss man etwas vorsichtig sein
bei deren Charakterisierung des Mannes, aber ich denke, die
Informationen sind größtenteils glaubwürdig. Im Artikel wird
Khashoggi präsentiert als:
„Ein Mann, der Jahrzehnte lang als enger Vertrauter des Hauses Saud diente; ein eifriger Unterstützer des palästinensischen Terrors, der eng mit Hasspredigern befreundet war; ein Protagonist des politischen Islam der Muslimbruderschaft; ein Muslim, der einen Islam, in dem zum Mord an schwangeren Jüdinnen samt deren ungeborenen Kindern aufgerufen wird, für moderat hält“
Der für die
Washington Post arbeitende Khashoggi ist also nicht gerade das, was
man gemeinhin unter einem aufgeklärten Moslem versteht. Wohlwollend
betrachtet müsste man ihn als ausgesprochen naiv bezeichnen, da ihm
sicherlich nicht nur die Defizite Israels, sondern auch die Abgründe
der verschiedenen palästinensischen Organisationen und vor allem der
Hamas bekannt sein sollten.
Ob aber jemand mit einer solchen Naivität
einen Vernetzungsgrad und damit Einfluss erreichen kann wie Khashoggi es erreichte, dessen Namen hinter den Kulissen offenbar weit bekannt war, ist fraglich.
Wenn, dann musste ein naiver Khashoggi über ein außerordentliches
Unterhaltungs- und Kommunikationstalent verfügt haben, um diesen
Status bar jeden Verständnisses für geopolitische und ideologische
Zusammenhänge zu erreichen.
Seine Arbeit als
Journalist spricht gegen die Hypothese eines Naivlings mit einem Talent für
informelle Zusammenkünfte. Vor allem das Element der Washington Post
in seiner Vita ist ein Malus, da es sich bei der im
Besitz von Jeff Bezos befindlichen Zeitung um eine
CIA hörige Postille handelt und im publizistischen Netzwerk der
Zeitung sehr wahrscheinlich einige Agenten für spezielle öffentliche
Meinungen vorgehalten werden. Im Fall von Khashoggi muss das nicht
notwendigerweise so gewesen sein, aber es spricht in der Tendenz
dafür, vor allem da er über das politische Tagesgeschäft
berichtete.
Wir haben es also
mit einer Figur zu tun, die den Freiheitskämpfer gegen die
Unterdrückung des Hauses Al Saud spielen kann, der damit aber sehr
wahrscheinlich nicht die Freiheit im abendländischen Sinne meint,
sondern eher jene im koranischen Sinn wie sie von Allah in seiner
göttlichen Weisheit erfunden wurde.
Man muss sich
daher fragen, warum ausgerechnet er ein Kritiker der wichtigsten
Dynastie des Steinzeitislam war und warum diese einen triftigen Grund hatte, ihn zu ermorden. Immerhin besteht eine grundlegende Interessenkongruenz beider Seiten hinsichtlich des Islams als politische Ideologie.
Multimilliardäre, Abhöranlagen, Nachlässigkeiten und Skype
Was mir besonders
aufstößt an den Geschichten zu dem Fall ist die Amateurhaftigkeit,
mit der vorgegangen sein soll. Saudi Arabiens Kronprinz Mohammed bin
Salman (MBS) soll den Mord beauftragt haben, weil Khashoggi nicht
zurück in den Kreis der „Familie“ zurückkommen wollte, also die
Regentschaft von MBS weiterhin zurückwies, im Exil bleiben wollte
und nicht bereit war, seine Vorstellung einer egalitären Theokratieversion für Arabien aufzugeben.
Das ist kein
Mordgrund. Natürlich liegen die Verhältnisse bei einem
Multimilliardär/Imperator Absolutus etwas anders als bei uns Normalsterblichen, aber im Zweifel sorgt man einfach dafür,
dass die Person nicht mehr glücklich wird im Leben. Die Zersetzung
von wichtigen Kritikern ist ähnlich effektiv wie ein Mord, aber mit deutlich weniger Risiken behaftet. Man hätte
den Mann und seine Ansichten künftig auch einfach so lange ignorieren
können, bis er einen Fehler macht, um dann streng nach (Scharia-)Recht und (königlichem) Gesetz zuzuschlagen. Putin und Pussy Riot lassen
grüßen.
Ebenso wenig
leuchtet mir ein, warum Khashoggi ausgerechnet in einem Konsulat im
Ausland ermordet wurde und dann in einer so amateurhaften Weise. Die
Herzinfarktpistole ist kein Gerücht und ich halte es für
unwahrscheinlich, dass sie nicht in das persönliche Budget von MBS
gepasst hätte.
Viel schlimmer aber
wiegt die allgemein bekannte Tatsache, dass alle Botschaften und
Konsulate überall von allen Ländern abgehört werden. Das liegt zum
einen daran, dass alle Angelegenheiten eines Staates mit dem
Gastgeber in der ein oder anderen Weise dort behandelt werden, man
also einen Flaschenhals für Informationen hat, auf den man leicht
zugreifen kann. Zum anderen liegt es daran, dass dort Agenten ein und
ausgehen und die Botschaften aufgrund ihres Status einen natürlichen
Rückzugsort für Geheimdienste darstellen.
Wer daher ausgerechnet in einer Botschaft im Ausland einen politischen Mord begehen
will, der verstößt so ziemlich gegen jede einzelne Regel im
Handbuch für solche Operationen.
Ich frage mich: Warum haben sie
nicht einfach in einer dunklen Straße von Istanbul einen
Raubüberfall getürkt? Niemand hätte jemals einen Verdacht geschöpft und der
Aufwand wäre minimal gewesen.
Aber es musste
unbedingt in einem Konsulat sein und auch nicht ein normaler,
professionell ausgeführter Mord, nein, er musste zerstückelt werden.
Ob MBS ein Sadist ist weiß ich nicht, so etwas kann immer sein, was
vor allem für Personen gilt, die nie in ihrem Leben eine Grenze
aufgezeigt bekamen und mehr Millionen auf der Bank als Haare auf dem Kopf haben. Ein halbwegs fähiger Herrscher aber weiß, dass
er Privatvergnügen und Amtsgeschäfte trennen muss, auch wenn sie
noch so ähnlich wirken, sonst überlebt man nicht lange. Ghaddafi
läßt grüßen.
Am schlimmsten aber
ist in meinen Augen, dass MBS den Mord via Skype in Auftrag gegeben
haben soll, wie es bei
ZeroHedge heißt. Ernsthaft? Ein Multimilliardär mit dem
absoluten Machtanspruch über mehrere Dutzend Billionen Dollar und dem Direktzugriff auf den wohl
bedeutendsten Rohstoff des Planeten verwendet... Skype? Für hochbrisante geheimdienstliche Angelegenheiten? Vielleicht über
sein Apple Macbook? Hat er am Ende vergessen, das neueste Update
herunterzuladen?
Vielleicht
überschätze ich die globale Machtelite ja ein gutes Stück, aber
ich würde doch vermuten, dass man für wichtige und sensible
Angelegenheiten – vor allem wenn sie ins Ausland gehen – eine
etwas ausgefeiltere Technik verwendet. Einen eigenen Kommunikationssatelliten halte ich in dieser Liga für angemessen, und zwar mit einer Verschlüsselung jenseits der
Hackerfähigkeiten einer zweitrangigen Mittelmacht wie der Türkei.
Oder hätte MBS
nicht wenigstens ein Codewort verwenden können beim Beauftragen des Mordes? Also in etwa:
„Probier doch mal Artischocke auf der Pizza!“ als Chiffre für
„Bring ihn möglichst bestialisch um!“
Für mich ergibt das
gesamte medial verbreitete Szenario überhaupt keinen Sinn. Es enthält einfach
zu viele schon an der Oberfläche erkennbare Ungereimtheiten, die nur
mit sehr viel Dummheit erklärbar wären, wenn dem denn so war.
Auftragsmorde und Auftragsmörder in einer Fallhöhe wie dem
vorliegenden aber gehen ihrem Geschäft eher nicht aus Dummheit nach.
Nicht zuletzt auch das Gerücht(?), wonach Khashoggi zu Döner verarbeitet worden sein soll. Das ist schön plastisch und jeder kann sich etwas darunter vorstellen. Das ist in etwa so wie Hannibal Lector. Da gruselt sich auch jeder. Medial ist das Gold, aber auf dem Boden der gegebenen Realitäten? Abgesehen von der Werbeagentur, die das Gerücht in Umlauf gebracht hat, wäre das unprofessionell wie es nicht unprofessioneller geht und zwar vom Kronprinzen angefangen bis zu den Medien, die es ungeprüft weiterverbreiten.
Fast hätte ich noch den Grund vergessen, weswegen Khashoggi überhaupt erst in das Konsulat ging.
Angeblich brauchte er Unterlagen für seine neue Ehe mit einer
Türkin. Nur, wozu braucht ein Moslem Unterlagen für eine Ehe und dann noch aus einer staatlichen
Repräsentanz?
Meines Wissens werden islamische Ehen in Moscheen
geschlossen, wo sie dann auch die islamische Rechtsfähigkeit
erlangen. Staatliche Institutionen dieser Art sind in der Religion
nicht vorgesehen. Ein Saudi sollte das wissen und ich denke nicht,
dass es in Saudi Arabien eine Art „Standesamt“ gibt wie bei uns,
also außerhalb der Moscheen.
Wenn, dann hätte
Khashoggi nur drei Mal den islamischen Scheidungsspruch aussprechen
müssen gegenüber seiner bisherigen Ehefrau (das geht sogar per SMS!), um dann in der nächsten Moschee die neue Ehe
schließen zu lassen. Istanbul hat denke ich mehr als genug derartige
Gotteshäuser. Angesichts der islamischen Rechtsordnung,
Unterabteilung Ehe, war Khashoggi sicherlich nicht wegen seiner neuen Frau im
saudischen Konsulat wie es kolportiert wird.
Sollte das
präsentierte Szenario stimmen, dann haben sich ausnahmslos alle
Beteiligten wie blutige Amateure verhalten, und mit dem Mord wurde
letztlich das exakte Gegenteil dessen erreicht, was erreicht werden
sollte. Jedem denkenden Menschen hätte das von Anfang an klar sein
müssen.
Was nun bleibt ist maximale Öffentlichkeit
Wir hätten also
nun:
- Ein weltweit maximal berichtetes Ereignis der hässlichen Sorte mit einer klaren medialen Freund-Feind Einteilung, die sogar dem letzten einleuchtet.
- Einen Märtyrer für Freiheit, der wie auch schon bei den Weißhelmen bei näherem Hinsehen eigentlich keiner ist.
- Einen de facto Staatschef, der maximal blamiert ist.
- Keine Möglichkeit für einen gesichtswahrenden Ausweg aus der Situation für den saudischen Kronprinzen und alle, die sich in dessen Nähe befinden.
- Unnötige Friktionen für die Weltwirtschaft an einem ihrer sensibelsten Punkte.
- Erklärungsbedarf für Präsident Trump, da er offenbar gut klar kam mit dem neuen Kurs, den MBS für sein Königreich eingeschlagen hat.
- Ein idiotisches Szenario, das nur funktioniert, wenn alle Beteiligten (inklusive Khashoggi) idiotisch gehandelt haben.
Das alles
zusammengenommen lässt für mich nur den Schluss zu, dass die
Rollen für die Guten und die Bösen nicht so verteilt sein können, wie es uns
präsentiert wird. Wir sollten vorsichtig sein.