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Derzeit wird dem Ärztemangel in Deutschland zwar mit Hilfe einer kräftigen Zuwanderung an „Fachkräften“ entgegengewirkt, wie es beispielsweise in diesem Video nachgezeichnet wird. Trotzdem aber bleiben noch immer zu viele wichtige Stellen in der medizinischen Betreuung unbesetzt, was vor allem den Landarzt betrifft, eine Stelle für die das Land Baden-Württemberg nun sogar ordentlich werben muss, und das obwohl es heute so viele Medizinstudenten gibt wie nie. Warum wir ein Problem in dem Bereich haben lässt sich an einer einzigen Tabelle ablesen.
Laut Theorie müsste die Betreuung besser werden und die Preise müssten sinken
Im Vergleich
zwischen heute und vor 40 Jahren stieg die Zahl der Studenten in der
Humanmedizin um imposante 73 Prozent und das in einem Land, dessen
Bevölkerung im selben Zeitraum um gerade einmal 5 Prozent gewachsen
ist. Rein rechnerisch müssten also für jeden in Deutschland mehr
als ein halber Arzt und damit eine um die Hälfte bessere Betreuung
möglich sein als damals.
Wie vermutlich die
meisten aus eigener Erfahrung wissen ist dem nicht wirklich so. Zwar
wurden die Medikamente und die Maschinen seit damals bedeutend
besser, aber auch die Wartezeit auf einen Termin beim Spezialisten
und die Zeit im Wartezimmer selbst wurde ebenfalls länger. Laut Ärzteblatt
steht Deutschland hinsichtlich der Wartezeiten auf einen Besuch beim
Facharzt zwar recht gut da, allerdings steigt die Dauer im
Wartezimmer trotzdem merklich an. Innerhalb von nur drei Jahren
beispielsweise stieg die
durchschnittliche Wartezeit im Wartezimmer um zwei Minuten, was für eine deutliche Mehrbelastung der Ärzte spricht.
Mit Blick auf die
obige Statistik mit der Entwicklung der Zahlen im Bereich der Medizin
müsste es eigentlich eine gegenteilige Entwicklung geben. Nicht nur
die Zahl der Studenten in der Humanmedizin stieg stark an, sondern
auch die Zahl
der ambulant angestellten Ärzte verdreifachte sich in den
letzten 10 Jahren. Das heißt, die Betreuung müsste immer besser und
zeitnäher werden, und es müssten auch die Preise sinken aufgrund
des deutlich gestiegenen Angebots.
Die Statistik zeigt
allerdings auch, dass die
Entgelte für Ärzte mindestens mit der Inflation stiegen. Mit einer so starken Ausweitung des Angebots, wie es in Deutschland der Fall ist sollten die Löhne nominal mindestens stagnieren. Die
einzigen Fachgruppen mit Einbußen sind Psychotherapeuten und vor allem Anästhesisten, die mit
9% weniger deutlich weniger verdienen, als noch vor einigen Jahren.
Die Frage ist,
werden überproportional viele Medizinstudenten Anästhesisten oder
liegt es an etwas anderem? Meine Vermutung: Es ist etwas anderes.
Massiv mehr Studienplätze – nur, wer besetzt diese?
In der Tabelle
mit der Entwicklung der Studentenzahlen in der Humanmedizin wird
aufgeschlüsselt nach dem Geschlecht und nach der Herkunft. Dabei
zeigen sich zwei starke Trends. Zum einen geht die Entwicklung hin
zur Medizinerin und weg von ihrem männlichen Kollegen und und zum anderen geht die Entwicklung hin zum
ausländischen Studenten.
Na, fällt was
auf?
Mit Ausnahme von nur
zwei Zeilen sind alle grün und einige der Gruppen hatten imposante
Zuwächse sowohl im 40 Jahresvergleich als auch im eingenerationellen
Vergleich über 20 Jahre. Nur die Männer in der Medizin bilden eine Ausnahme. Deren
Zuwachs ist nicht nur stagniert, vielmehr ist deren Anzahl sogar gesunken.
Der Verlust der
Männer im 40 Jahresvergleich ist mit 2% nur deshalb so niedrig, weil
sich die Zahl der ausländischen Männer an deutschen
Humanmedizinfakultäten in der selben Zeit verdoppelt hat. Sonst läge auch dort der
Rückgang in etwa auf dem Niveau wie im 20 Jahresvergleich.
Frauen in der
Medizin dagegen florieren und überkompensieren den Wegfall der Männer in umfassender Weise. Übertroffen werden die deutschen Frauen beim Zuwachs sogar
noch einmal von ihren ausländischen Kommilitoninnen, die gleich einen
doppelt so starken Zuwachs erlebten.
Man muss wirklich
nicht viel Grips im Kopf haben, um aus diesen Werten ableiten zu können, woran genau wir scheitern, wenn es um die Besetzung der deutschen
Arztpraxen geht.
Frauen arbeiten halbtags, Deutsche zieht es in die Schweiz und Ausländer ziehen weiter
Dank des nach wie
vor fast inexistenten Schwunds
an Studenten in der Medizin, er liegt bei einem Prozent, kommen die
allermeisten durch bis zum Ende. Wer aber als Ausländer an einer
deutschen Universität Medizin studiert hat, der bleibt eher selten
im Land. Zu hoch sind die Steuern und zu sehr lockt das Ausland mit
teils höheren Vergütungen und dem nach wie vor guten Ruf der
in Deutschland gebotenen medizinischen Ausbildung. Es
verwundert daher nicht, wenn der größte Teil des Zuwachses an
Studienplätzen ins Nichts verpufft.
Nicht anders ist es
bei Frauen. Weibliche Ärzte gibt es zwar einige, die kompetent und
fleißig sind. Aber es gibt auch jede Menge Ärztinnen, die sich am
Ende dank des hohen Stundenlohns auf die Work-Life-Balance
konzentrieren wie diese Tabelle
impliziert, da jüngere Ärzte weniger arbeiten als ältere und bei
jüngeren der Frauenanteil viel höher ist. Oder sie suchen sich ihre Erfüllung
in einem anderen Bereich und geben die Medizin auf. Nicht zuletzt soll gerüchteweise der
Anteil an Ärztinnen im Entwicklungshilfedienst überproportional
hoch sein. Wer in Afrika AIDS Waisen behandelt, der kann sich zwar
gut fühlen, aber er fehlt am Ende eben bei der Betreuung jener Patienten,
die für ihr Studium aufkamen und für die sie eigentlich da sein
sollten.
Der dritte Aderlass,
den die deutsche Humanmedizin bleich werden lässt ist die allgemeine
Abwanderung deutscher Ärzte ins Ausland. Wie oben beschrieben locken
höhere Vergütungen, weniger Steuern, ein guter Ruf als Vorschuss
und allgemein die Exotik einer anderen Kultur, die man dank des hohen Einkommens genießen kann. Möglicherweise kommt dazu noch ein Hauch
gutmenschliches Besserfühlen, wenn man beispielsweise in Manila
einen Tag in der Woche im Slum arbeitet, nachdem man vier Tage lang
die Oberschicht behandelt hat.
Laut Statistikamt
jedenfalls ist der Aderlass massiv. Die
drei beliebtesten Auswanderungsländer Schweiz, USA und –
seltsam – Polen schlucken deutsche Ärzte ohne Unterlass. Es sind
so viele Ärzte, die alleine in diese drei Länder ab- oder weiterwandern,
dass die deutschen Universitäten kaum nachkommen beim Ausbilden
neuer Ärzte. Hier die Zahlen:
Für mich sind das völlig
verrückt hohe Zahlen. Ich kann kaum glauben, dass die Verlustrate so
exorbitant hoch ist, vor allem da in den Zahlen nur die drei genannten Länder berücksichtigt sind. Es ist ein absolutes Wunder, warum die Politik
hier noch nicht eingeschritten ist. Wir bilden dem Ausland die Ärzte
aus und wundern uns dann, warum uns die Ärzte ausgehen und irgendwann auch das Geld, da das Medizinstudium das mit Abstand teuerste aller Fächer ist.
Dieses Thema sollte
eigentlich ganz oben auf der Tagesordnung stehen und zwar politisch
wie auch medial und das so lange, bis der Fehler korrigiert ist. Dass in der Sache aber nicht mehr gemacht wird als
etwas herumzumäkeln, dazu mehr Frauen und Ausländer in den Studiengang zu
drücken und eine Landarztinitiative aus der Taufe zu heben, spricht
wieder einmal Bände über die Politik und den Journalismus in diesem Land.
Ich frage mich,
wie sollen die Landarztpraxen gefüllt werden, wenn die Ärzte nicht
in Deutschland falsch verteilt sind, sondern einfach keiner da ist,
weil sie alle abhauen? Mit Migranten vielleicht?