Die gute Nachricht des Tages (Bildquelle) |
Ladenzeilen, bald so überflüssig wie Schwarze Bretter
Lange Zeit bin ich
dem Lockruf niedriger Preise in den Innenstadtgeschäften nicht
gefolgt. Corona hat dort deutlich seine Spuren hinterlassen und vor
allem den Modeläden eine planetengroße Kröte zum Schlucken
beschert. Fast ein Viertel Jahr lang blieb die komplette
Sommerkollektion wegen den Schließungen in den Läden liegen, wobei
noch immer kaum jemand einen Bedarf dafür hat angesichts dessen,
dass es für zu Hause auch die letztjährige Sommerbekleidung noch
tut.
Dann aber bin ich
doch einkaufen gegangen, nachdem ein paar Sachen zusammenkamen, die
ich nicht einfach so im Internet bestellen wollte, nur um sie dann
wieder zurückzuschicken, weil sie nicht passen. Ich weiß, das ist
inzwischen fast schon normal und hinsichtlich der Logistik eventuell
sogar günstiger und umweltfreundlicher als der Gang in den Laden.
Aber mir gefällt es nicht und ich wollte noch einmal eine Innenstadt
sehen, bevor die letzte tot ist und sie nur noch in Retro-Filmen
existieren werden, zumal wie gesagt die niedrigen Preise lockten.
Klauen bei C&A lohnt sich nicht
Zum Glück muss ich
sagen, habe ich mich locken lassen. Die Preise waren wirklich tief,
sogar verstörend tief. Vor allem beim Durchschnittsbekleider C&A
haben mich die Preise geradezu geschockt. Mit Ausnahme dezidierter
Sommerware gab es auf sämtliche Produkte 50-70% Rabatt, wobei einige
Sachen wie Polos quasi weggeworfen wurden. Ich brauchte eigentlich
keine, habe dann aber doch noch zugegriffen angesichts eines
Preisschilds, das mit 25 Euro begann und nach mehreren roten Korrekturen bei 2,70 Euro endete.
Besonders verstörend
waren auch Pullover, deren Saison erst noch beginnen wird, und die
mir auf dem drehbaren Kleiderständer ebenso für unter 3 Euro
entgegen kamen. Dabei waren das keine Ausreißer, Restposten oder
urhässliche Dinger, derer man sich schämen müsste. Nein, es waren
normale Pullover durchschnittlicher Qualität und eine Menge davon, die da zu einem Preis
dargeboten wurden, als wollte man sie ohnehin gleich wegwerfen.
Die Ladenbetreiber
müssen wirklich verzweifelt sein. In einem Fall fiel mir sogar auf,
dass sie ein paar lange Jogginghosen offenbar auf kurz
„umgeschnitten“ haben. Das muss kurzfristig geschehen sein, als
sie bemerkten, dass kurze Hosen so ziemlich das einzige war, wofür
die Leute noch Geld ausgaben. Sechs Euro haben sie dafür verlangt,
was mir verdächtig weit weg erschien von der zweitbilligsten kurzen
Hose in vergleichbarer Qualität für 15 Euro. Ich habe dann lieber
etwas genauer hingesehen und die Scherenaktion an fehlenden Nähten
erkannt.
Den C&A habe ich
am Ende mit zwei vollen Taschen verlassen, für die ich mir fast
einen neuen Schrank kaufen muss. Das ist überaus untypisch für
mich, vor allem, da es nicht das einzige Geschäft war, in dem ich
mich zum Kauf habe hinreißen lassen.
Kopfhörer als Ramschware
Noch untypischer
aber war der Blick in meinen Geldbeutel, als ich die Innenstadtläden
einmal komplett durch hatte. Trotz eines geradezu weiblich anmutenden
Konsumrauschs hat sich das Scheinfach meines Geldbeutels kaum
geleert. Gerade einmal 60 Euro war ich los, für die ich mich vor
einem Jahr nochm kaum hätte einkleiden können – und dann aber
auch nur von jener Sorte Stofffetzen, deren Farbe beim ersten Anblick
schon welken, und die in der Umkleidekabine mit dem ausfransen
beginnen.
Das gab mir
Zuversicht für einen weiteren geplanten Kauf: Gute Kopfhörer vom
Elektromarkt. Als ich dann aber auf dem Weg dorthin durch einen
größeren Gemischtwarenladen kam, wie er momentan noch in jeder
großen Stadt steht, habe ich mich spontan umentschieden. Auch dort
boten sie Kopfhörer an gemäß der alten Doktrin, dass alles unter
einem Dach zu haben sein sollte.
Ohne größere
Erwartung habe ich mir deren erstaunlich großes Angebot angesehen
und musste auch dort feststellen, dass sie derzeit keine guten
Angebote im Programm haben oder die Preise „am purzeln“ sind,
sondern ein regelrechter Räumungsverkauf vorherrscht.
So passte in mein
geplantes Kopfhörerbudget ein Modell, das hinsichtlich der
Klangqualität und Ausstattung in etwa zwei Ligen über dem von mir
antizipierten lag. Nur für ein Modell von Bose oder Sennheiser hat
es nicht gereicht. Aber auch die waren reduziert und es fiel mir
nicht leicht, das gesparte Kleidungsgeld in Hörgenuss umzuwandeln.
Ich habe das
letztlich deswegen nicht getan und beim billigeren Modell
zugegriffen, weil über den unwiderstehlichen Preisen auch das
Damoklesschwert der Insolvenz hängt, wie mir zu Beginn schon klar
wurde, und ich in einem Garantiefall keinen Ansprechpartner hätte.
Über die Jahre habe ich mir angewöhnt, stets auch auf diese
indirekten Leistungen oder Kosten zu achten. Einen derart teuren
Kopfhörer im dreistelligen Bereich zu kaufen, bei dem genauso das
Risiko besteht, in Limonade final baden zu gehen wie bei einem 20
Euro Modell, ist es einfach nicht wert, wenn man ihn zumindest in der
ersten Zeit nicht wieder zurückgeben kann.
Wer wird überleben – wird überhaupt etwas überleben?
In Anbetracht der
Angebote, die mir beim Einkauf begegneten bin ich mir sicher, dass
kaum jedes zehnte der Innenstadtgeschäfte die Krise überleben wird.
Nicht einmal die großen Ketten werden es packen. Vielleicht wird es
diese auch ganz besonders erwischen und bis in einem halben Jahr,
wenn wir beim Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt das beschwipste
Social Distancing üben dürfen, nur noch ein paar kleine
Spezialisten übrig sind. Optiker etwa oder Geschäfte der gehobenen
Sorte, in denen die Sinne eine zentrale Rolle spielen. Man denke an
Dessous- oder Parfumläden.
Allerdings lauern
auch hinter diesen die Fragezeichen. Am Ende könnte kein einziges
Geschäft übrig bleiben, das nicht jene versorgt, die auch dort
wohnen. Die Krise wird einschlagen und sie wird das in heftigster
Weise machen.
In meinem Leben habe
ich bislang noch keine externe Krise erlebt. Dafür bin ich sehr,
sehr dankbar, wie auch dafür, dass ich meine inneren Krisen alle
hinter mich bringen konnte und dabei etwas gelernt habe. Dieses Mal
aber wird es zumindest gesellschaftlich gesehen schlimm werden und es
könnte sogar Ausmaße annehmen, wie sie zuletzt der Ostblock anno
1989 erlebte. Denn wenn alles aufgelöst wird, bis nichts mehr da
ist, was und wie soll dann neues entstehen?
Sogar Aldi...
Selbst an Aldi,
geradezu einem Supertanker des Einzelhandels, der sich um
Kinkerlitzchen wie Krisen doch eigentlich nicht kümmern müsste,
geht das aktuelle Geschehen nicht spurlos vorbei. Noch nie habe ich
erlebt, dass Aldi Rabatt auf seine regulären Waren gibt. Bei
Angeboten ist das normal, bei Bierwurst und Cola dagegen gar nicht.
Bei Aldi gehörte es bislang jedenfalls zur Kernphilosophie, dass man
alle seine Waren stets zum Angebotspreis darbietet.
So war ich dann sehr
erstaunt, als ich mir am Ende des Einkaufstages dort ein gekühltes
Bier und einen Snack geholt habe und an der Kasse zwei Mal nachfragen
musste, weil der angezeigte Preis nicht mit dem übereinstimmte, was
die Kassiererin von mir verlangte. Was ich zunächst für einen
coronamaskenbedingtes Problem im Hörenverstehen hielt, stellte sich
dann jedoch heraus als Aktion, bei der Aldi jenseits der niedrigen
Mehrwertsteuer noch einmal einen Kassenrabatt oben drauf gibt. Das
hätte ich nicht erwartet. Nicht bei Aldi.
Was ich damit sagen
will ist, dass ich bei der Einkaufsrunde so viel Geld gespart habe,
dass es mir Angst gemacht hat. Ich wünschte, ich hätte meine
Krisenerfahrung bereits gemacht. Denn die Deflation, vor der viele
warnten, hat uns voll im Griff. Jetzt müssen wir nur noch warten,
bis die Geschäfte alle leer gekauft und abgewickelt sind, und sich
die Regierung spontan zur „Ankurbelung der Konjunktur“
entschließt und ein BGE einführt.
Abschließen möchte
ich dennoch mit einer guten Nachricht, die ich aus dem ebenso
besuchten Kaufland berichten kann. Deren Schmelzkäsescheiben
sind neuerdings in Karton eingepackt und nicht mehr in einer zweiten
Plastikschicht. Umweltfreundlich UND leichter zu öffnen in einem.
Wenn das mal keine gute Nachricht ist. Ich finde jedenfalls: Gute Arbeit, Kaufland!