30. Juli 2020

Mein Erlebnisbericht vom Shopping in der Innenstadt: Es wird gaaanz tief runter gehen


Die gute Nachricht des Tages (Bildquelle)


Ladenzeilen, bald so überflüssig wie Schwarze Bretter


Lange Zeit bin ich dem Lockruf niedriger Preise in den Innenstadtgeschäften nicht gefolgt. Corona hat dort deutlich seine Spuren hinterlassen und vor allem den Modeläden eine planetengroße Kröte zum Schlucken beschert. Fast ein Viertel Jahr lang blieb die komplette Sommerkollektion wegen den Schließungen in den Läden liegen, wobei noch immer kaum jemand einen Bedarf dafür hat angesichts dessen, dass es für zu Hause auch die letztjährige Sommerbekleidung noch tut.

Dann aber bin ich doch einkaufen gegangen, nachdem ein paar Sachen zusammenkamen, die ich nicht einfach so im Internet bestellen wollte, nur um sie dann wieder zurückzuschicken, weil sie nicht passen. Ich weiß, das ist inzwischen fast schon normal und hinsichtlich der Logistik eventuell sogar günstiger und umweltfreundlicher als der Gang in den Laden. Aber mir gefällt es nicht und ich wollte noch einmal eine Innenstadt sehen, bevor die letzte tot ist und sie nur noch in Retro-Filmen existieren werden, zumal wie gesagt die niedrigen Preise lockten.

Klauen bei C&A lohnt sich nicht


Zum Glück muss ich sagen, habe ich mich locken lassen. Die Preise waren wirklich tief, sogar verstörend tief. Vor allem beim Durchschnittsbekleider C&A haben mich die Preise geradezu geschockt. Mit Ausnahme dezidierter Sommerware gab es auf sämtliche Produkte 50-70% Rabatt, wobei einige Sachen wie Polos quasi weggeworfen wurden. Ich brauchte eigentlich keine, habe dann aber doch noch zugegriffen angesichts eines Preisschilds, das mit 25 Euro begann und nach mehreren roten Korrekturen bei 2,70 Euro endete.

Besonders verstörend waren auch Pullover, deren Saison erst noch beginnen wird, und die mir auf dem drehbaren Kleiderständer ebenso für unter 3 Euro entgegen kamen. Dabei waren das keine Ausreißer, Restposten oder urhässliche Dinger, derer man sich schämen müsste. Nein, es waren normale Pullover durchschnittlicher Qualität und eine Menge davon, die da zu einem Preis dargeboten wurden, als wollte man sie ohnehin gleich wegwerfen.

Die Ladenbetreiber müssen wirklich verzweifelt sein. In einem Fall fiel mir sogar auf, dass sie ein paar lange Jogginghosen offenbar auf kurz „umgeschnitten“ haben. Das muss kurzfristig geschehen sein, als sie bemerkten, dass kurze Hosen so ziemlich das einzige war, wofür die Leute noch Geld ausgaben. Sechs Euro haben sie dafür verlangt, was mir verdächtig weit weg erschien von der zweitbilligsten kurzen Hose in vergleichbarer Qualität für 15 Euro. Ich habe dann lieber etwas genauer hingesehen und die Scherenaktion an fehlenden Nähten erkannt.

Den C&A habe ich am Ende mit zwei vollen Taschen verlassen, für die ich mir fast einen neuen Schrank kaufen muss. Das ist überaus untypisch für mich, vor allem, da es nicht das einzige Geschäft war, in dem ich mich zum Kauf habe hinreißen lassen.

Kopfhörer als Ramschware


Noch untypischer aber war der Blick in meinen Geldbeutel, als ich die Innenstadtläden einmal komplett durch hatte. Trotz eines geradezu weiblich anmutenden Konsumrauschs hat sich das Scheinfach meines Geldbeutels kaum geleert. Gerade einmal 60 Euro war ich los, für die ich mich vor einem Jahr nochm kaum hätte einkleiden können – und dann aber auch nur von jener Sorte Stofffetzen, deren Farbe beim ersten Anblick schon welken, und die in der Umkleidekabine mit dem ausfransen beginnen.

Das gab mir Zuversicht für einen weiteren geplanten Kauf: Gute Kopfhörer vom Elektromarkt. Als ich dann aber auf dem Weg dorthin durch einen größeren Gemischtwarenladen kam, wie er momentan noch in jeder großen Stadt steht, habe ich mich spontan umentschieden. Auch dort boten sie Kopfhörer an gemäß der alten Doktrin, dass alles unter einem Dach zu haben sein sollte.

Ohne größere Erwartung habe ich mir deren erstaunlich großes Angebot angesehen und musste auch dort feststellen, dass sie derzeit keine guten Angebote im Programm haben oder die Preise „am purzeln“ sind, sondern ein regelrechter Räumungsverkauf vorherrscht.

So passte in mein geplantes Kopfhörerbudget ein Modell, das hinsichtlich der Klangqualität und Ausstattung in etwa zwei Ligen über dem von mir antizipierten lag. Nur für ein Modell von Bose oder Sennheiser hat es nicht gereicht. Aber auch die waren reduziert und es fiel mir nicht leicht, das gesparte Kleidungsgeld in Hörgenuss umzuwandeln.

Ich habe das letztlich deswegen nicht getan und beim billigeren Modell zugegriffen, weil über den unwiderstehlichen Preisen auch das Damoklesschwert der Insolvenz hängt, wie mir zu Beginn schon klar wurde, und ich in einem Garantiefall keinen Ansprechpartner hätte. Über die Jahre habe ich mir angewöhnt, stets auch auf diese indirekten Leistungen oder Kosten zu achten. Einen derart teuren Kopfhörer im dreistelligen Bereich zu kaufen, bei dem genauso das Risiko besteht, in Limonade final baden zu gehen wie bei einem 20 Euro Modell, ist es einfach nicht wert, wenn man ihn zumindest in der ersten Zeit nicht wieder zurückgeben kann.

Wer wird überleben – wird überhaupt etwas überleben?


In Anbetracht der Angebote, die mir beim Einkauf begegneten bin ich mir sicher, dass kaum jedes zehnte der Innenstadtgeschäfte die Krise überleben wird. Nicht einmal die großen Ketten werden es packen. Vielleicht wird es diese auch ganz besonders erwischen und bis in einem halben Jahr, wenn wir beim Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt das beschwipste Social Distancing üben dürfen, nur noch ein paar kleine Spezialisten übrig sind. Optiker etwa oder Geschäfte der gehobenen Sorte, in denen die Sinne eine zentrale Rolle spielen. Man denke an Dessous- oder Parfumläden.

Allerdings lauern auch hinter diesen die Fragezeichen. Am Ende könnte kein einziges Geschäft übrig bleiben, das nicht jene versorgt, die auch dort wohnen. Die Krise wird einschlagen und sie wird das in heftigster Weise machen.

In meinem Leben habe ich bislang noch keine externe Krise erlebt. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar, wie auch dafür, dass ich meine inneren Krisen alle hinter mich bringen konnte und dabei etwas gelernt habe. Dieses Mal aber wird es zumindest gesellschaftlich gesehen schlimm werden und es könnte sogar Ausmaße annehmen, wie sie zuletzt der Ostblock anno 1989 erlebte. Denn wenn alles aufgelöst wird, bis nichts mehr da ist, was und wie soll dann neues entstehen?

Sogar Aldi...


Selbst an Aldi, geradezu einem Supertanker des Einzelhandels, der sich um Kinkerlitzchen wie Krisen doch eigentlich nicht kümmern müsste, geht das aktuelle Geschehen nicht spurlos vorbei. Noch nie habe ich erlebt, dass Aldi Rabatt auf seine regulären Waren gibt. Bei Angeboten ist das normal, bei Bierwurst und Cola dagegen gar nicht. Bei Aldi gehörte es bislang jedenfalls zur Kernphilosophie, dass man alle seine Waren stets zum Angebotspreis darbietet.

So war ich dann sehr erstaunt, als ich mir am Ende des Einkaufstages dort ein gekühltes Bier und einen Snack geholt habe und an der Kasse zwei Mal nachfragen musste, weil der angezeigte Preis nicht mit dem übereinstimmte, was die Kassiererin von mir verlangte. Was ich zunächst für einen coronamaskenbedingtes Problem im Hörenverstehen hielt, stellte sich dann jedoch heraus als Aktion, bei der Aldi jenseits der niedrigen Mehrwertsteuer noch einmal einen Kassenrabatt oben drauf gibt. Das hätte ich nicht erwartet. Nicht bei Aldi.

Was ich damit sagen will ist, dass ich bei der Einkaufsrunde so viel Geld gespart habe, dass es mir Angst gemacht hat. Ich wünschte, ich hätte meine Krisenerfahrung bereits gemacht. Denn die Deflation, vor der viele warnten, hat uns voll im Griff. Jetzt müssen wir nur noch warten, bis die Geschäfte alle leer gekauft und abgewickelt sind, und sich die Regierung spontan zur „Ankurbelung der Konjunktur“ entschließt und ein BGE einführt.

Abschließen möchte ich dennoch mit einer guten Nachricht, die ich aus dem ebenso besuchten Kaufland berichten kann. Deren Schmelzkäsescheiben sind neuerdings in Karton eingepackt und nicht mehr in einer zweiten Plastikschicht. Umweltfreundlich UND leichter zu öffnen in einem. Wenn das mal keine gute Nachricht ist. Ich finde jedenfalls: Gute Arbeit, Kaufland!

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