26. November 2019

Aus der Reihe „Budgetposten der Deutschen Forschungsgesellschaft“, heute: 500 Wissenschaftlerinnen übersetzen Wikipedia Artikel

Beide Seiten des fraglichen Flyers (in Echt sollen sie sehr hochwertig wirken)

Die Abteilung für Gleichstellung und Diversität kündigt an...



Gerade trudelte die E-Mail eines Lesers bei mir ein mit einem Flyer für eine Mitmachveranstaltung am renommierten Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), die gemeinsam durchgeführt wird mit dem ebenfalls in Heidelberg angesiedelten Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL).

Es geht dabei aber nicht etwa um einen Vortragsmarathon zu einem Spezialfach des Großthemenbereichs Physiologie und Biologie. Ebenso wenig geht es um ein interdisziplinäres Kreativbrainstorming, bei dem Wissenschaftler aller MINT-Sparten in spontaner Mischung ihre Köpfe zusammenstecken, um zu sehen was herauskommt.

Nein, es geht um Frauen. Um Frauen und Wikipedia. 

Zu der am 12. Dezember um 18 Uhr beginnenden und von „DKFZ Gleichstellung und Diversität gemeinsam mit EMBL“ unterstützten Abendveranstaltung „ist jede*r Willkommen“, wie es auf dem Flyer heißt. Ein Lockmittel haben sie auch, da für „Verpflegung gesorgt ist“.

Der Abend soll voll im Zeichen der „Lieblingswissenschaftlerin“ stehen und zwar ohne Gendersternchen, es geht also ausschließlich um weibliche Wissenschaftler. Für diese soll unter professioneller Unterstützung bei Wikipedia ein „Edit-a-thron“ durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um einen Editiermarathon, bei dem die Teilnehmer die Wikipediaseite ihrer Lieblingswissenschaftlerinnen wahlweise erstellen, übersetzen oder verbessern sollen.

Man will damit die „Wissenschaft offener, integrativer und besser zugänglich machen“, so die Ankündigung des Flyers.

Wer also schon immer einmal wissen wollte, was weibliche Wissenschaftler*innen an deutschen Eliteinstituten nach Feierabend unternehmen, um ihrer Karriere einen extra Schub zu geben, der weiß nun mehr.

Sie debattieren keine kontroversen Hypothesen, sie setzen sich auch nicht in die Bibliothek, um einer Fährte nachzugehen, sie basteln nicht aus Spaß an etwas ganz anderem herum - als Biologe etwa an einem Computer - um eine neue Perspektive zu lernen, und sie übersetzen nicht einmal wissenschaftliche Arbeiten, die sie für beachtenswert halten. Nein, weibliche Wissenschafter graben sich durch Wikipedia und übersetzen Kurzbiografien, die ihnen gefallen. 

Das mag nun eine scharfe Meinung sein, aber es wirkt auf mich als das wohl unproduktivste, das man sich überhaupt vorstellen kann.



Männer als Motivationshilfe für Frauen



Entstanden ist der - Entschuldigung - Mist offenbar an der Universität von Colorado in Boulder. Prinzipiell hat der Ort bei mir einen guten Ruf, da mir von dort bislang nur intelligente Sachen vor die Nase kamen. Dann aber erleben wir derzeit auch den rapiden Niedergang der akademischen Welt überall im Westen, der mit Sicherheit auch nicht vor dem beschaulichen Boulder Halt machte.

Jedenfalls fanden sich in Colorado einige weibliche Wissenschaftler zusammen, die den Verein „500 Women Scientists“ gründeten. Es ist nun dessen Heidelberger Ableger, der mit dem Editiermarathon möglichst vielen Frauen einen ganzen Abend wertvolle Lebenszeit rauben will.

Über den Ursprung der 500 Women Scientists heißt es auf deren Seite, dass sich einige Frauen an der Universität im November des Jahres 2016 zusammenfanden und zwar „gleich nach der Wahl“.

Das ist ganz wichtig. 

Um wessen Wahl es sich da handelte, die den Damen als Anlass diente für ihre Clubgründung dürfte klar sein, es war jene von Donald Trump. Die Wissenschaftlerinnen sahen ihre „Stimmen in Gefahr“ wie auch jene von „Minderheitengruppen“, so dass sie sich in dem losen Verein sammelten, um ihrer Stimme weiterhin Gehör schaffen zu können. Sie wollen sich „gegen Unrecht aussprechen, das ihnen in der Wissenschaft wie auch in der Gesellschaft als ganzes begegnet“, wie es auf der Seite heißt.

Warum sie das davor nicht gemacht haben und erst einen Mann als Anlass brauchten, um ihre wissenschaftlichen Mund zu öffnen – oder das, was sie für ihren wissenschaftlichen Mund halten – sei dahingestellt. Aber immerhin, sie haben etwas zustande gebracht.



Wenn Frauen Mangeln gehen



Das Prinzip der 500 Wissenschaftsweiber, wie ich den Verein lose übersetzen würde, besteht darin, dass keine feste Großorganisation angestrebt wird, sondern überall lokal in kleinen Gruppen gearbeitet und genetzwerkt wird. Sie nennen diese Kleingruppen „Pods“, für das mir spontan keine passende Übersetzung einfällt außer vielleicht „Käfig“.

Wer nun wie ich zweifelt über den Sinn dieser Veranstaltung, dem hilft vielleicht eine Analogie aus dem echten Leben weiter.

Mir hat einmal vor einigen Jahren eine weibliche Bekannte im Vertrauen etwas über Frauen erzählt. Denn noch immer ist es Usus in den halbwegs funktionierenden Teilen der Gesellschaft, also im kleinstädtischen bis dörflichen Umfeld, dass Frauen „mangeln gehen“. Oberflächlich geht es dabei darum, sich die Bettwäsche und andere große Stofffetzen wie Vorhänge zu bügeln, die für das heimische Bügeleisen zu sperrig sind.

Traditionell sind derartige Maschinen teuer und so war die Anschaffung einer Mangel lange Zeit nur gemeinschaftlich möglich. Doch obwohl der Preis für solcherlei Gerät über die Zeit sank und auch Alternativen entstanden, so konnte sich an vielen Orten die Tradition des gemeinsamen „Mangelns“ durch die Frauen als fester Teil des Alltagslebens erhalten.

Meine Bekannte gestand mir dabei, dass sie das Mangeln heute zwar liebt, zunächst aber nicht begriff, warum es die Tätigkeit noch immer gibt. Immerhin handelt es sich um eine relativ unnötige, anstrengende, heiße und irgendwie völlig aus der Zeit gefallene Aktivität. Dennoch bestand ihre Mutter darauf, dass sie mitkommt, sobald sie „alt genug“ war, sprich einen festen Partner hatte, mit dem sie den Haushalt teilte.

Bald schon aber fiel bei ihr der Groschen, warum „mangeln gehen“ nicht nur immer noch eine Tätigkeit ist, der Frauen gerne gemeinschaftlich nachgehen, sondern warum sie für Frauen sogar essenziell ist.

Denn der wahre Grund ist nicht die Tätigkeit an sich mit dem Glattbügeln großer Stoffbahnen. Vielmehr ist „mangeln gehen“ eine vornehme Umschreibung für die Mutter aller Gerüchteküchen.

Wenn Frauen mangeln gehen, dann gehen sie in Wirklichkeit stundenlang gemeinschaftlich, völlig ungestört und in größtmöglicher Intensität tratschen darüber, wer mit wem, was gerade wieder kaputt gegangen ist, welcher Mann dafür verantwortlich war, sowie all das andere, das die Frauenwelt interessiert, für das sie ihre Partner aber kaum begeistern können.

Kurzum, „Mangeln gehen“ ist eine gesellschaftliche Ventilfunktion, bei der Frauen ihren sozialen und emotionalen Druck genauso kontrolliert ablassen können, wie Männer im Wald, beim Fußball oder auf der Autobahn.

Dieses Frauengeheimnis, das mir da anvertraut wurde, erklärte nebenbei auch, warum meine eigene Mutter in der sozialen Hierarchie ihres Umfeldes lange Zeit eher niedrig angesiedelt war. Denn von Berufswegen hatte sie ihre eigene Mangel, verpasste also ausgerechnet das beste am Frausein unter Frauen.

Es zeigte mir auch, dass es als Mann besser ist zu wissen, wo die Mangel im Dorf steht, und dass man sich mit mindestens einer der dort werkelnden Frauen gut stellen sollte. Denn so hat man einen gewissen Schutz vor Lästereien und Gerüchten, und ich konnte die Bekannte sogar dazu überreden, eine der älteren Frauen im Mangelclub davon zu überzeugen, meine aufgrund der Flügge gewordenen Kinder etwas einsam gewordene Mutter zum gemeinschaftlichen Mangeln einzuladen.

Wie es der Zufall wollte gab ihre Mangel just zu diesem Zeitpunkt den Geist auf und so sagte meine Mutter mit Freude zu. Danach war sie glücklicher denn je und mein Vater auch. Zu keinem Zeitpunkt habe ich es bereut, die Heizschlange an ihrer Mangel irreparabel abgeklemmt zu haben.

Nun aber zurück zum Thema.

Ich kann mich nicht des Eindrucks verwehren, dass diese Wissenschaftlerinnen in den Pods ihres Frauenclubs genau das zu emulieren versuchen. Sie schaffen sich einen Ort, an dem sie oberflächlich betrachtet der Wissenschaft nachgehen und von wo aus sie der Gesellschaft dienen wollen. 

In Wahrheit aber sind derartige Veranstaltungen nichts anderes als Gelegenheiten für Frauen, bei denen sie über Stunden gemeinschaftlich und ungestört den in der Institutsatmosphäre angestauten Druck abbauen können. Denn auch wenn die Einladung pro Forma für „jede*n“ gilt, so dürfte klar sein, dass dort kein Mann freiwillig auftauchen wird - es sei denn er ist schwul der Marke bunter Pfau.

In ihrem Pod werden sie dann ein bisschen hier editieren und da ergänzen, dort eine Falte im Text glattbügeln und sich dabei stets akademisch geben. In Wirklichkeit aber werden sie über Männer tratschen und das, was sie gerade wieder verbrochen haben. Sie werden Theorien spinnen über die Gründe, weshalb diese oder jene Wissenschaftlerin nicht bekannter wurde und all das andere, das Frauen interessiert, für das sie aber keinen Mann der Welt begeistern können.

Nur um eines wird es dabei definitiv nicht gehen: Um Wissenschaft.


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