Was nicht passt wird (nicht) passend gemacht |
Zum Glück kann man sagen hat heute jeder eine internetfähige Kamera in der Hosentasche. Denn ansonsten würden uns einige positive wie negative Leckereien des gegenseitigen Miteinanders entgehen. Es bringt einfach Wahrheit ins Spiel, auch wenn sie manchmal doch nicht zählt, man denke da nur an die Szene mit „Hase du bleibst hier..“. In anderen Fällen wiederum wie diesem mit einer Burkafrau, die keine Schwulen mag, legt die gefilmte Straßenrealität Doppelmoralitäten offen, deren Erwähnung sonst nur abstrakt bliebe und damit nicht herankäme an den Wohlfühlgestus der Herolde linker Wahrheit.
The Spectator: Die seltsame Reaktion Medien auf eine burkatragende Schwulenhasserin
Dürfen wir jetzt
etwa auch die Burka kritisieren? Genau diese Frage kam mir in den
Sinn, als ich diesen viralen Clip einer Frau in einer Burka sah, die
in London während einer Schwulenparade die Teilnehmer mit homophoben
Sprüchen beleidigte. Da kann es gar nicht anders sein, als dass man
im Gegenzug ab sofort auch dieses mittelalterliche Kleidungsstück
(das in mehreren muslimischen Ländern übrigens verboten ist)
mitsamt der Einstellung ihrer Trägerinnen kritisieren.
Zugegeben,
überraschend war die Aufnahme dieser schwulenfeindlichen Hass
speißenden Burkaträgerin nicht. Schockierend, ja das schon, aber
nicht überraschend. Immerhin war es eine von Kopf bis Fuß mit einem
archaisch anmutenden Kleidungsstück verhüllt, da wären liberale
Ansichten über Sexualität eher erstaunlich.
„Schande über
dich“, schrie die Frau den Mann an, der mit einer Schwulenfahne
unterwegs war. „Gott schuf Adam und Eva, nicht Adam und Steve“,
fuhr sie fort in einer Weise, wie man sie von Rechtskonservativen in
den 1950er Jahren erwartet hätte, alles natürlich abgeschmeckt mit
der typischen vom Koran inspirierten Abscheu vor Homosexualität. Der
Begriff „Schmelztiegel“ trifft die Mentalität der Frau recht gut
– sie steht für die formvollendete Fusion der europäischen Kultur
der 1950er Jahre mit einem Hauch von östlich inspiriertem
Extremismus.
In den linken
Kreisen hat das Video einiges an Unbehagen ausgelöst. Schließlich
mag die Riege der linken Gutmenschen Schwule und Frauen
gleichermaßen, vor allem wenn letztere eine Burka tragen. Wie ist
die neue Frage, soll man nur auf einen derartigen öffentlich
ausgetragenen Streit reagieren, der sich in der Szene zwischen zwei
ihrer Lieblingsidentitätsgruppen abspielt?
Das ist ein
ziemlicher Brocken. Verurteilen Sie den religiösen Radikalismus,
dann riskieren sie, dass sie sich in das Lager von Boris Johnson
bewegen, diesem bösen Islamophoben, der alle Burkaträgerinnen am
liebsten aus dem Land werfen würde. Oder soll man sich eher für das
Gebrüll der Dame aussprechen, und dass es manchmal eben völlig im
Rahmen des Legitimen liegt, sich beleidigend über Schwule
herzumachen? Was für ein Dilemma das nur ist für die
intersektionelle Linke!
Wie sich zeigt
scheint ihre Lösung darin zu bestehen, das sie mit einigen
Schwulenhassern ganz einfach nachsichtiger umgehen als mit anderen
Schwulenhassern. Stella Creasy, die linke Parlamentsabgeordnete des
Wahlkreises, wo sich der Zwischenfall abspielte beispielsweise meinte
darüber, sie sei habe „Bauchschmerzen“ davon bekommen – eine
harmlos-passive Umschreibung, die eigentlich alles sagt.
Der Artikel zur
Auseinandersetzung des stramm linken Independent wiederum tänzelt
geschickt um die Tatsache herum, dass die Frau eine Burka trug und
informiert seine Leser lediglich darüber, dass die Schwulenhasserin
„in Schwarz gekleidet war, mit einem schwarzen Schleier und dazu
eine schwarz umrandete Brille trug“. Das ist keineswegs falsch
berichtet. Können wir vielleicht noch mehr erfahren über ihre
Kleidung? Die Frau, so der Independent weiter, trug „Kleidung, die
gemeinhin mit weiblichen Anhängern des Islam in Verbindung gebracht
wird“. Geht doch! Und all das, ohne auch nur einmal das Wort
„Burka“ erwähnt zu haben. Reife Leistung! Vielleicht dachte man
beim Independent ganz einfach nur, dass die Erwähnung des Begriffs
eine Welle der Islamophobie auslösen könnte.
Dazu frage ich mich
auch, ob ich der einzige bin, der es für beunruhigend hält, dass am
Ende des Videos zu hören ist, wie das Opfer des Missbrauchs der Frau
als Antwort gibt: „Wir lieben euch trotzdem“? Nicht nur das, ein
zweiter Teilnehmer der Schwulenparade kann gehört werden, der die
Frau darüber informiert, dass Faschisten „das Gleiche über sie
[die Muslime] sagen wie über Schwule“. Warum zeigen die beiden
eine derartige Nachsicht? Warum haben sie ihr nicht einfach gesagt,
sie soll verschwinden? Etwas, das sie definitiv und mit vollem Recht
getan hätten, wenn der Schwulenhass von jemand anderem gekommen
wäre.
Man muss sich dazu
nur einmal vorstellen, dass es nicht eine Burkaträgerin ist, die
ihren schwulenfeindlichen Sermon in die Menge brüllt, sondern ein
großer, weißer Typ mit einem heftigen örtlichen Dialekt, dazu
Tattoos und einer Fahne mit dem St. Georgskreuz, das aus der
Gesäßtasche herausschaut. Wäre es in diesem Fall vorstellbar, dass
auch in diesem Fall die Abgeordnete Frau Creasy nur „Bauchschmerzen“
gehabt hätte? Oder dass der Twittermob sich ähnlich zurückgehalten
hätte, wie beim Video mit der Burkafrau? Nein, sicherlich nicht.
Und genau das ist
das Problem. Das Messen des Islams und seiner Anhänger mit zweierlei
Maß ist geradezu zwanghaft geworden, so dass ihnen von der stets auf
der Lauer liegenden linken Gutmenschenbrigade selbst die
rückständigsten Ansichten durchgelassen werden.
Solange sich
islamische Fundamentalisten nicht rechtfertigen müssen, sondern im
Gegenteil von einer ganzen Industrie an Islamophilen geschützt
werden, die praktisch jede Kritik am Islam als Hassverbrechen
hinstellt, wie sollen diese Personen dann jemals in die Verlegenheit
kommen, ihre Ansichten zu hinterfragen? Oder gar ihre Meinung zu
ändern? Über die eigenen Überzeugungen zu reflektieren und zu
versuchen, das eigene Weltbild an die Realität anzupassen?
Müssen wir uns
angesichts des Schutzschirms über dem Islam wirklich wundern, wenn
diese Burkaträgerin allen Ernstes denkt, dass sie auf der Straße in
aller Offenheit ihren rückständigen religiösen Hass gegen
homosexuelle Menschen schleudern kann? Immerhin lebt sie in einem
Land, in dem es sogar verboten ist, überhaupt Kritik an der Burka zu
äußern, wie Boris Johnson vor einiger Zeit entdecken musste, als er
das Kleidungsstück völlig zu Recht als repressives und lächerliches
Kleidungsstück bezeichnete.
Boris hatte Recht.
Die Burka ist lächerlich und repressiv. Sie ist darüber hinaus auch
unsozial und ein großes, schwarzes „Fickt euch alle“ an die
restliche Gesellschaft. Es ist ein feindseliges Gewand, das die Treue
der Trägerin zu archaischen religiösen Werten und ihre Verachtung
für die liberale, unzüchtige Gesellschaft, in der sie lebt,
erklärt.
Natürlich sollte
die Burka nicht verboten werden. Frauen sollten noch immer die
Freiheit haben, diese zu tragen wenn sie wollen. Aber auch der Rest
von uns sollte die Freiheit haben, die Burka zu bezeichnen als ein
Repressionswerkzeug und eine Beleidigung, und dass jene, die sie
tragen wie die Frau in London im Video sich aller Wahrscheinlichkeit
in einer Gesinnung des hemmungslosen Schwulenhasses ergehen.
Zu allem Überfluss
hat sich nun auch die Polizei in die Sache eingeschaltet, die gegen
die Frau ein Verfahren wegen eines angeblichen Hassverbrechens
eingeleitet hat. Aber wir brauchen nicht mehr Autoritarismus. Wir
brauchen auch keine weitere Sprachpolizei. Das einzige was wir
brauchen ist eine offenere und kritischere Öffentlichkeit, in der
alles - auch der Islam - zur Debatte steht.