Drei der bekanntesten Disruptoren auf dem politischen Parkett Großbritanniens |
In weiten Teilen Großbritanniens laufen gerade Kommunalwahlen ab, die als Test dient für die EU-Wahl, die auch auf der Insel noch einmal abgehalten werden wird. Während die Mehrheit der Stimmen noch nicht ausgezählt ist, so steht jetzt schon fest, dass die Wähler äußerst verärgert sind über das Verhalten der Regierung beim Brexitthema, wobei die oppositionelle Labourpartei nicht davon profitieren kann und als Teil des Problems gesehen wird. Was folgen könnte ist Zersplitterung der politischen Landschaft.
Spectator: Der Grund, warum die Labourpartei so miserabel bei den gerade laufenden Wahlen abschneidet
Am Ende des heutigen Tages wird die konservative Tory Partei eine schreckliche Nacht hinter sich haben – möglicherweise werden sie in England bis zu 1.000 Stadträte verlieren, was sogar noch über den Schlimmstfallszenarien von 800 verlorenen Sitzen läge.
Das aber könnte am Ende möglicherweise gar nicht die große Nachricht sein. Immerhin ist es keine Neuigkeit, dass viele konservative Wähler jenseits von wütend darüber sind, dass die Premierministerin dabei versagt hat, den Brexit zu liefern.
Tatsächlich verlangte die Mehrheit der Tory Abgeordneten, dass Theresa May noch vor den Wahlen zurücktritt; sie wollen sie noch immer loswerden. An den Positionen hat sich also geändert.
Viel bedeutender dagegen ist, dass auch die linke Labourpartei Sitze verliert. Und obwohl die Fluktuation viel geringer ist als bei den Konservativen, so sollte die Partei doch eigentlich keine Abgeordnetensitze verlieren gegen eine völlig indiskutable Regierung verlieren, die gerade erst in der Mitte ihrer Legislaturperiode ankam, und auch angesichts der Tatsache, dass Labour im Jahr 2015 schon schlecht abgeschnitten hat.
Dabei ist immer noch nicht wirklich klar, warum Labour so schlecht abschneidet. John McDonnell von Labours Schattenregierung meinte zwar, dass die Ursache für das schlechte Abschneiden seiner Partei in der Unsicherheit über den Brexit zu finden ist, aber das ist viel zu wage, als dass es eine Aussagekraft hätte.
Den Brexit pauschal als Grund anführen könnte alles heißen, etwa dass die Partei zu sehr für den Brexit eintritt, oder das Gegenteil wonach die Partei zu sehr in der EU bleiben will – oder auch, weil sie dem größten politischen Problem des Vereinigten Königreichs zu indifferent gegenübersteht, nur was ist es denn?
Es ist nicht einmal klar, was in Sunderland, einer der großen Brexit Hochburgen dafür gesorgt hat, dass Labour ganze zehn Sitze verloren hat [Sunderlands Stadtrat hat 75 Sitze mit nun ehemals 80% Labouranteil]. Der Vorsitzende des Stadtrates Graeme Miller macht die allgemeine Stimmung im Nordosten dafür verantwortlich, dass seine Partei nicht wirklich weiß, was sie will beim Thema Brexit.
Aber obwohl es viele verärgerte Wähler geben mag, die den Brexit Verlautbarung verschiedener Vertreter der Labourpartei misstrauen, und obwohl es wahr ist, dass die ausgelaugte Ukip in Sunderland starke Zugewinne erzielen konnte, haben die Lib Dems [=sozial-liberal] und die Grünen [=wie unsere Grünen] als Befürworter eines Verbleibs in der EU inklusive eines zweiten Referendums darüber ebenso viel hinzugewonnen.
In Brexit-Sunderland scheint man also genauso gespalten und verwirrt zu sein wie im Rest des Landes.
Es ist auch wichtig zu sehen, dass die Lib Dems und Grünen auf nationaler Ebene eine starke Leistung gezeigt haben. Aber das endgültige Urteil über das, was für Labour wirklich schief gelaufen ist muss auf eine detaillierte und forensische Analyse warten – und ob der Schaden für die Partei mehr aufgrund des Desertierens iher Anhänger verursacht wurde, die ein zweites Referendum und in der EU bleiben wollen, oder doch aufgrund der Desillusionierung der Arbeiterklasse generell und politisch linken Befürwortern des Brexit im speziellen.
Erst dann wird klar sein, ob Ansichten bei Labour mehr Gewicht geschenkt werden sollte, nach denen das „Triangulieren“ des Brexitthemas durch die Partei beendet werden sollte, nach dem es sowohl Brexitbefürwortern als auch jenen recht gemacht werden soll, die in der EU bleiben wollen, was dazu führte, dass die Partei zum Thema nur noch herum laviert.
Die Frage nach der klaren Positionierung beim Brexit wird auch für Theresa May Konsequenzen haben - denn die Antwort darauf wird bestimmen, ob Jeremy Corbyn mehr oder weniger bereit sein wird, mit ihr in den nächsten Tagen einen überparteilichen Kompromiss zur britischen Position beim Brexit zu verhandeln.
Anlässlich dieser anberaumten Verhandlungen brütet man in der Führungsetage der Labourpartei nun darüber, ob eine Übereinkunft mit der Regierung, die das Element der Zollunion enthält, Millionen von Wähler dauerhaft von der Partei entfremden würde, weil es als Unterstützung einer desolaten Tory Regierung angesehen würde, oder ob Labour mit einer solchen Übereinkunft endlich all der Lärm abgestellt würde, der derzeit sämtliche sozialen Themen der Partei übertönt.
Die gerade ablaufenden Kommunalwahlen haben daher eindeutig auch einen Einfluss auf den kommenden politischen Weg in jenen Teilen des Landes, wo heute nicht abgestimmt wird.