Pinkwashing gibt es auch als Performance Kunst (Bildquelle) |
Wieder einmal vollzog Präsident Trump eine elegante Volte, die seine Kritiker eiskalt dastehen ließ. Er begann unter Federführung seines deutschen Botschafters Grenell eine weltweite Kampagne mit dem Ziel, die Homosexualität zu entkriminalisieren. Trump selbst war nie ein Gegner des gleichgeschlechtlichen Sexualität, es war vielmehr der wertkonservative Flügel seiner Partei, der sich in der Vergangenheit quergestellt hat. Das ist inzwischen vorbei. Allerdings ist auch die Schwulenfreundlichkeit der politischen Linken vorbei – also wenn sie vom falschen kommt. Dann ist es „Pinkwashing“ und böse.
Pinkwashing, der neue Catch22
Der Begriff ist mir
erstmals über den Weg gelaufen, als Israels Oberstes Gericht
entschied, homosexuelle Ehen komplett die selben Rechte einzuräumen
wie klassischen Ehen. Darunter das Adoptionsrecht und
Steuervergünstigungen. Für ein Land, das strukturell politisch
deutlich rechts ist und eine nicht gerade kleine Gemeinde religiöser
Fundamentalisten beheimatet, ist das ein ziemlich dickes Ding.
Die Kriminalisierung
von Homosexualität ist eine Sache, deren volle Gleichstellung zur
Ehe zwischen Mann und Frau eine andere. Trotzdem kam es in Israel
dazu, die Politik akzeptierte es und in der Gesellschaft als ganzes
gab es keine Proteste.
Keine Proteste?
Nicht ganz. Es waren ausgerechnet dezidierte Linksausleger unter den
politischen Aktivsten, die dem Staat ein „Pinkwashing“ vorwarfen.
Dabei handelt es sich um eine Wortschöpfung aus „pink“ - stehend
für schwul/bunt - und „whitewashing“, einem rassitischen Akt
weißer Überlegenheit zur Dominanz anderer Wertvorstellungen.
Israels
Staatsführung, so das Argument, ist gar nicht für Schwulenrechte.
Insgeheim würden sie diese am liebsten in KZs stecken und ausrotten.
Die Vergabe voller Eherechte an Schwule sei nur ein durchsichtiger
Versuch, die linksliberale Schwulengemeinde und ihre Freunde in das
rechte politische Lager zu ziehen. Denn dann hätten sie mehr Macht
und könnten die Schwulen noch viel einfacher zu einem späteren
Zeitpunkt auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
In etwa so ging das
Argument damals. Es war vergleichbar mit dem Rassismusvorwurf durch
linke Palästinafreunde in Richtung der israelischen Armee. Deren
Soldaten hatten damals das Verbrechen begangen, bei der zeitweiligen
Besetzung von Gaza keine einzige Vergewaltigung vorzunehmen.
Israelische Soldaten taten das nicht, weil sie viel zu rassistisch
sind, um sich an einer der armen und unterdrückten (aber doch auch
hübsch-erotischen) Palästinensermädchen zu vergehen. „Rapewashing“
wäre ein passender analoger Begriff dazu.
Unterm Strich
bedeutet dies, dass egal was man macht, so lange man der falschen
politischen Seite angehört, macht man es falsch. In genau dieser
Manier äußerte sich nun das Schwulenmagazin Out. Trumps globale
Kampagne zur Entkriminalisierung von Homosexualität, die geleitet
wird von dem von ihm berufenen Botschafter in Deutschland - dem offen
in einer schwulen Beziehung lebenden Richard Grenell – ist nichts
anderes, als ein „falscher rassistischer Taschenspielertrick“.
Lesen Sie selbst...
Out: Trumps Plan zur Entkriminalisierung von Homosexualität ist ein alter, rassistischer Trick
Die Trump Regierung
beginnt gerade eine globale Kampagne, um Homosexualität in Dutzenden
von Ländern zu entkriminalisieren, in denen Antischwulengesetze
immer noch aktuelle Politik sind, wie ABC News am Montag berichtete.
Auch wenn die Kampagne oberflächlich wirkt wie eine atypisch
positive Entscheidung durch Trumps Regierung, so erzählen die
Details der Kampagne eine ganz andere Geschichte. Anstatt nämlich
dafür einzutreten, um homosexuellen Menschen auf der ganzen Welt zu
helfen, sieht die Kampagne eher aus wie ein weiterer Versuch der
Rechten, homosexuelle Menschen als Bauern im Schachspiel zu
missbrauchen, die ihnen mehr Macht verleihen sollen, damit sie
endlich ihre wahre Agenda verwirklichen können.
Man muss es gar
nicht mehr wirklich erwähnen, dass die Trump Regierung im Inland
keine allzu positive Menschenrechtsbilanz aufweist, wenn es um
LGBTQ+-Fragen geht. Die Aktivistengruppe GLAAD hat aufgezeichnet, wie
oft die Regierung LGBTQ+ Menschen geschadet hat, von ihrem Verbot von
Transsexuellen beim Militär angefangen, bis hin zur Rücknahme von
Plänen, in derVolkszählung 2020 eine LGBTQ Kategorie aufzunehmen.
Und vor dem neuen schlecht durchdachten Plan zur Bekämpfung von
HIV/AIDS hatte Trumps Regierung eine abgründige Bilanz beim Kampf
gegen den Virus.
Das
aufschlussreichste Detail des Berichts von NBC News ist, dass sein
Plan homophobe Gewalt im Iran in den Mittelpunkt rückt, ein Land,
das von NBC News als der „größte geopolitische Feind“ Amerikas“
bezeichnet wird. Der Plan soll vom US-Botschafter in Deutschland,
Richard Grenell, der auch der ranghöchste schwule Beamte der
Regierung ist angeführt worden sein; dies als Reaktion auf die
Nachricht, dass vor kurzem im Iran ein junger schwuler Mann gehängt
wurde. Grenell hat den Iran seit einiger Zeit im Auge und erst vor
einer Woche versuchte er, mehrere europäische Nationen unabhängig
von der Haltung des Landes zur Homosexualität dazu zu bringen,
Sanktionen gegen den Iran zu verhängen.
Homosexualität ist
im Iran seit der theokratischen islamischen Revolution von 1979
illegal. Zumindest
laut eines Artikels im Guardian hat sich die Durchsetzung der
Antischwulengesetze im Iran seit dem Ausscheiden von Präsident
Mahmoud Ahmadinejad im Jahr 2013 etwas abgeschwächt. Homosexualität,
so der Autor, sei „ein offenes Geheimnis“ und die meisten
schwulen Menschen fürchten homophobe Reaktionen von Mitbürgern mehr
als die Behörden.
Grennells
plötzliches Interesse an der Homosexualität im Iran ist auffallend
ähnlich wie Trumps Rhetorik nach dem Anschlag von 2016 auf den
Schwulenclub Pulse in Orlando. Nach der tödlichen Schießerei nutzte
Trump die 49 Todesfälle als Gelegenheit, um Unterstützung für eine
antimuslimische Agenda zu sammeln - anstatt einen Weg zu finden,
LGBTQ+ Menschen zu unterstützen. Als er auf
Einwanderungsbeschränkungen und ein muslimisches Einreiseverbot
drängte, meinte Trump sogar, er sei der wahre Pro-LGBTQ+-Kandidat.
Anstatt diejenigen zu ehren, die starben nutzte Trump die Tragödie
als Mittel, um die Angst des amerikanischen Volkes zu schüren, und
Grennell macht ganz ähnliches beim Thema Iran – er versucht, ein
wirtschaftliches Ziel zu erreichen, indem er die Gegner seines
Präsidenten als schwulenfeindlich bezeichnet.
„Wir wissen, dass
Trump sehr auf den Iran fokussiert ist und nach Wegen sucht, das Land
in der öffentlichen Meinung zu verteufeln, und dies ist ein Bereich,
in dem man weiß, dass die USA und die europäischen Länder den Iran
aus nächster Nähe betrachten“, sagte Josh Lederman, der die
ursprüngliche NBC News Geschichte berichtete. „Also konzentrieren
sie sich strategisch auf das und nicht auf Sanktionen, wo es eine
große Kluft zwischen den USA und ihren Verbündeten gibt.“
Die Wahrheit ist,
dass die Vorgehensweise dem alten kolonialistischen Handbuchs
entspricht. In ihrem Essay „Can the Subaltern Speak“ prägte die
postkoloniale Theoretikerin Gayatri
Spivak den Begriff „Weiße Männer, die braune Frauen vor
braunen Männern retten“, um den rassistischen, paternalistischen
Prozess zu beschreiben, mit dem Kolonialmächte die Art und Weise
verunglimpfen, wie Männer an der Macht mit unterdrückten Gruppen
wie etwa Frauen umgehen, um damit deren gewaltsame Entfernung zu
rechtfertigen. Spivak verwies auf die britische Kolonialagenda in
Indien. Grennells Angriff kann daher als ein Beispiel bezeichnet
werden, in dem Weiße vorgeben, braune, schwule Männer zu retten vor
braunen Heteromännern, aber das eigentliche Ziel verfolgen, die
Macht an sich zu reißen.
Es gibt mehrere
Anzeichen dafür, dass diese Entscheidung eher im kolonialen Sinn als
Bevormundung denn als wahrer Altruismus bezeichnet werden muss. Dem
Bericht zufolge soll die Entkriminalisierungskampagne in Berlin
beginnen, wo sich LGBTQ+-Aktivisten aus ganz Europa treffen werden,
um einen Plan auszuarbeiten, der sich „vor allem im Nahen Osten, in
Afrika und in der Karibik konzentrieren“ soll.
Allein dieser Satz
sollte mehrere Alarmglocken auslösen. Erstens sind der Nahe Osten,
Afrika und die Karibik riesige geopolitische Einheiten. Die
Einstellungen gegenüber Homosexuellen unterscheiden sich stark
zwischen den Ländern und Regionen innerhalb dieser Einheiten. Dazu
entspricht der Versuch, europäische Aktivisten in eine Lage zu
versetzen, dass sie über die Schwulenthemen in diesen Regionen
bestimmen können, der Lehrbuchdefinition für Paternalismus.
Laut Lederman sind
die Namen der Aktivisten, die an dem für Dienstagabend in Berlin
geplanten Abendessen teilnehmen noch nicht bekannt, aber sie kommen
aus einem Dutzend europäischer Länder, darunter Länder aus Ost-
und Mitteleuropa, wo der Rechtsschutz für LGBTQ+ Menschen schwächer
ist als in Westeuropa. Die Namen der Aktivisten werden verschwiegen,
da einige nicht bereit sind, öffentlich identifiziert zu werden.
Lederman sagt, dass
die Teilnehmer über die Initiative meinen, dass sie noch „in der
Mache“ sei, und dass die Ankündigungen bereits gemacht wurden,
obwohl „es immer hinsichtlich der Vorgehensweise noch eine Menge
auszuarbeiten gibt". Lederman bestätigte jedoch, dass
Aktivisten aus den Ländern der diskutierten Regionen - aus Afrika,
dem Mittleren Osten und der Karibik - derzeit nicht an den
Diskussionstisch gebracht werden.
„Sie sind sich
nicht sicher, wie die fertige Kampagne aussehen wird“, und auch
wenn er meint, dass sie möglicherweise Menschen aus betroffenen
Regionen „zu einem zukünftigen Zeitpunkt einladen könnten“,
geht es aktuell nur um das Festlegen der Kampagnendetails.
Lederman plant, sich
mit Grennell sowie mehreren Aktivisten, die am Dinner Meeting in
Berlin teilnahmen, zu einem Interview zusammenzusetzen, das zu einem
späteren Zeitpunkt auf MSNBC ausgestrahlt wird.
Obwohl es Pläne
gibt, lokale LGBTQ+ Interessengruppen an den Tisch zu holen ist es
bedenklich, dass sie zu Beginn der Planungen nicht anwesend sind. Die
Einladung europäischer Aktivisten zur Lösung von Problemen im Nahen
Osten, in Afrika oder in der Karibik – Regionen, die alles andere
als monolithisch sind - ist eine zahnloses Unterfangen und mehr PR
als progressiv.