22. November 2018

Die Idiotie des deutschen Obrigkeitsstaates am Beispiel von Prepaidkarten für Handys

(Bildquelle)

Aus aktuellem Anlass möchte ich kurz auf die volkswirtschaftlichen Kosten eingehen, die uns Gevatter Staat aufzwingt im Namen des „Kampfes gegen den Terror“ und wie schwachsinnig das alles eigentlich ist. Es geht um Prepaidkarten für Handys, die trotz Smartphone und Flatrate mit einem 25 Prozent Anteil noch immer einen bedeutenden Teil des Mobilfunkmarktes ausmachen. Irgendwann 2017 beschloss die Regierung, dass man diese Karten nicht mehr unmittelbar freischalten kann, sondern sich per Ausweis registrieren lassen muss, damit auch bloß kein Terrorist mehr unerkannt mit dem Handy zwischen Flensburg und Freiburg eine Bombe zünden kann.



Ein paar Zahlen zum Geschehen auf dem Mobilfunkmarkt



Laut Zahlen von Statista gibt es in Deutschland es ungefähr 134 Millionen Mobilfunkanschlüsse, was deutlich mehr als 1,5 Handys pro Kopf entspricht. Ich nehme an, das liegt daran, dass die arbeitende Hälfte der Bevölkerung sehr wahrscheinlich über zwei Anschlüsse verfügt, einen beruflichen und einen privaten.

Kombiniert man diese Zahl mit dem Anteil von 25 Prozent für Prepaidkarten, dann lässt sich schließen, dass dieses Vertragsmodell in Deutschland deutlich über 30 Millionen Mal vorkommt.

Hinsichtlich des Volumens neu hinzukommender Prepaidhandys pro Jahr habe ich auf Anhieb keine Zahlen gefunden und möchte daher einen großzügigen Schätzwert von 6 Jahren annehmen für die Lebenszeit von Prepaidkarten, die gemeinsam mit dem abgenutzten Billighandy ausgetauscht wird.

Diese Zahl ist vermutlich eher konservativ, da offenbar bereits nach zwei Jahren Schluss ist mit Telefonieren, wenn man sein Handy nie mit Guthaben auflädt. Das kann beispielsweise sein, wenn man die Nummer ausschließlich für irgendwelche SMS Bestätigungen im Internet verwendet. So jedenfalls war es bei mir und das war es auch, was mir überhaupt erst einen verärgerten Grund gab, diese Zahlen aufzubereiten.

Mit der Annahme von 6 Jahren liegt das Marktvolumen für Prepaidkarten also bei jährlich mindestens 5 Millionen Einheiten. Oder anders gesagt, pro Jahr greifen 5 Millionen Menschen beim Einkauf im Supermarkt bei einem dieser Prepaidangebote zu. Im Handyladen geschieht das heute eher seltener, da die Marge viel zu klein ist und man sich dort lieber auf den Verkauf teurer Smartphones inklusive Internetvertrag konzentriert.

So viel zum Handymarkt und nun zum Staat…



Die Frage lautet: Wer ist dümmer, der Staat oder der Terrorist?



Trotz Berichterstattung darüber ist es vermutlich nicht nur mir entgangen, dass die Regierung vor etwas mehr als einem Jahr beschloss, dass man Prepaidkarten nicht mehr einfach so anonym freischalten kann, sondern sich eindeutig mit Ausweis und allem drum und dran identifizieren muss. 

Wo man davor per kurzem Anruf oder Onlineformular in einer Minute alles hinter sich bringen konnte und im Zweifel "Max Mustermann aus Musterstadt" angab, so muss man seit Mitte 2017 im Zweifel bei der Post vorbeigehen und sich dafür rechtfertigen, dass man telefonieren will. Wen es interessiert, festgeschrieben ist das alles in §111, Telekommunikationsgesetz.

Als Grund für diese Perle von Maßnahme wurde der notorische „Kampf gegen den Terror“ angeführt. Terroristen sollen nicht mehr einfach anonym in Raqqa anrufen können, um dort eine Rohrbombe zu bestellen, um sie dann später ebenso anonym per Handyanruf zwischen den Merkelpollern auf dem Wintermarkt zu zünden. 

Dieses Schreckensszenario gehört nun der Vergangenheit an und ich denke, es ist gerechtfertigt, wenn wir alle an dieser Stelle kurz innehalten und ein schnelles Stoßgebet in Richtung Himmel schicken. Unser Land, in dem wir gut und gerne leben wurde mit dieser Maßnahme nämlich wirklich total viel sicherer.

Also sicherer abzüglich der Tatsache, dass:
  • noch genügend alte, anonyme Simkarten im Umlauf sind.
  • manche Verantwortliche bei der Identifikationsstelle korrupt sein könnten.
  • Terroristen oder Kriminelle sich bereits freigeschaltete Handys auch klauen können.
  • es das sog. „Internet“ gibt, mit dessen Hilfe man sich mit nur wenigen Tricks anonym und verschlüsselt unterhalten kann und das trotz voriger Identifizierung.
  • man auch mit anonymen ausländischen Prepaidkarten in Deutschland telefonieren kann.
  • es nicht nur dumme Terroristen gibt, sondern auch welche, die wissen wie man in Chiffren spricht oder die gar auf verdächtige telefonische Gespräche verzichten.
  • dumme Terroristen, die das nicht machen auch anderweitig dumm sind und daher überall verräterische Fehler begehen, weshalb die sich Sicherheitsbehörden auf diese übrigen unter den Fehlern konzentrieren könnten.
  • es nicht allzu schwer ist, aus dem Standort, der Stimme und dem Inhalt des Gesprächs die Identität einer Person herauszufinden. (Falls der Geheimdienst hier Probleme hat, stehe ich beratend gerne zur Verfügung)
  • der Effekt der Entanonymisierung der deutschen Prepaidkarten statistisch gesehen vielleicht alle zwanzig Jahre einer Person das Leben rettet. (Oder glaubt etwa jemand, alleine mit dieser Maßnahme ließe sich irgendein Terrorist von seinem Treiben abhalten oder erwischen bevor es zu spät ist?)
  • sämtliche Bemühungen in diese Richtung für mindestens 20 Jahre Null und Nichtig gemacht wurden aufgrund der hunderttausendfachen Vergabe von anonymen Smartphones inklusive Simkarte an illegale Migranten mit unbekannter Identität (im genauen wird es es bis zum nächsten Technologiewechsel dauern, wenn die alten anonymen Smartphones technisch nicht mehr ins Netz kommen).



Vor allem der letzte Punkt wirkt auf mich in diesem Zusammenhang wie ein schlechter Scherz aus dem Gruselkabinett der Dummheiten. Aber hey, es ist der Versuch der zählt, nicht wahr, Herr de Maizire? Olympisches Motto und so. Oder kam diese intellektuelle Meisterleistung der Staatskunst am Ende aus Heikos damaliger Justizkrabbelgruppe?



Die relevanten Elemente für die volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung



Trotz dieser konzeptionellen Schwächen sollte man stets auch auf die Preisleistung einer Maßnahme achten. Das heißt, eine Maßnahme mag zwar wenig bringen, wenn aber der dafür notwendige Aufwand noch kleiner ist, dann lohnt sie sich trotzdem.

Schauen wir uns nun an, was uns zur Auswahl gegeben wird für unsere pflichtgemäße Identifizierung vor der Staatsmacht. Die Computerbild schrieb dazu:

„Die Mobilfunkbetreiber setzen in ihren Shops auf eine Ausweiskontrolle beim Kauf. Entscheidet sich ein Kunde zum Online-Kauf oder etwa in einem Supermarkt, ist der Video-Ident-Chat eine häufig angebotene Lösung: Per Smartphone oder Computer verbindet sich der Kunde mit einem Mitarbeiter eines Dienstleisters per Video-Anruf, dann erfolgt die Ausweiskontrolle per Abgleich der angegebenen Daten. Wer den Video-Ident-Chat nicht nutzen möchte, kann die Angelegenheit meist auch via Post-Ident-Verfahren regeln: Ein Postler prüft in einer Filiale die Identität per Ausweiskontrolle.“

Es gibt also drei Wege der Identifikation, wobei zur weiteren Berechnung der Kosten zweierlei darüber wichtig ist. Zum einen die Anteile dessen, wie viele jeweils welche Identifikationsmöglichkeit wählen und zum anderen, wie lange das jeweils damit verbundene Verfahren dauert.


1. Direkt beim Kauf im Handyladen

Das ist die wohl schnellste Variante, da man lediglich kurz den Ausweis zücken muss und nach einer halben Minute ist alles vorbei. Jedoch gibt es diese nicht mehr in allen Läden, das war zumindest meine Erfahrung beim Abgehen gleich dreier Handyläden, als ich mir „kurz mal eben“ eine neue Prepaidkarte holen wollte.

Dazu kommt auch der sicherlich häufige Gelegenheitskauf beim Aldi, wo das Verfahren nicht infrage kommt. Das heißt, die Variante ist in vielleicht 20 Prozent aller Fällen relevant.

2. Der Videochat per Smartphone/Laptopkamera

Diese Variante dauert meist etwa 5 Minuten, geht also ein bisschen länger als die erste Variante, ist aber auch irgendwann vorbei. Allerdings hat nicht jeder das entsprechende Gerät zu Hause, oder es funktioniert gerade nicht, oder man mag die Variante einfach nicht.

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass dieses Verfahren von maximal zwei Dritteln aller Prepaidkartenkäufer wahrgenommen wird, wobei ich die glatten60 Prozent als Annahme wählen möchte.

3. Der Weg über das Post-Ident-Verfahren

Abzüglich der anderen beiden Varianten bleiben noch 20 Prozent aller Prepaidkartenkäufer, die für die Freischaltung der neuen Simkarte etwas länger mit Vater Staat verbringen müssen, da das Post-Ident-Verfahren die mit Abstand aufwändigste Weise, wie wir uns als harmlos ausgeben können. 

Zwar ist das Verfahren auch per Postboten möglich, nur, wann kommt der schon vorbei, wenn wir zu Hause sind? Wohl nur dann, wenn wir gerade keine Prepaidkarte brauchen.

Es wird daher in den meisten Fällen darauf herauslaufen, ohne den Ausweis zu Hause zu vergessen während ihrer Öffnungszeiten zu einer Postfiliale zu gehen und...
  • 2 Minuten lang erst einmal nachsehen, wann überhaupt offen ist (und wann Mittagspause, weil Beamte)
  • 8 Minuten lang den Weg dorthin finden
  • 5 Minuten lang in der Schlange warten
  • 5 Minuten lang das Verfahren über sich ergehen lassen

Ein besonderes Risikomoment in dieser Variante besteht dazu darin, dass sich viele Postfilialen in der Innenstadt befinden und sich in der Zeit des Aufenthalts ein Bombenanschlag ereignen könnte, die mit einem alten und damit anonymen Prepaidhandy ferngezündet wurde. 

Das aber möchte ich außen vor lassen wie auch die Heimfahrt nach dem Besuch auf der Post, sowie einen möglichen Abstecher zum Bäcker nach Verlassen der Postfiliale oder mögliche Extrakosten, die sich aus der Warterei auf die Freischaltung ergeben, weil man nur dann Zeit hat, wenn gerade zu ist.



Die Gewichtung und Endabrechnung



Berechnet werden abschließend nun die direkten Zeitkosten, die mit der notwendigen Identifizierung bei der deutschen Bevölkerung entstehen:

  • Im Handyladen: 20% x 0,5 Minuten x 5 Millionen Einheiten = 500.000 Minuten
  • Per Videochat: 60% x 5 Minuten x 5 Millionen Einheiten = 15 Millionen Minuten
  • Bei der Post: 20% x 20 Minuten x 5 Millionen Einheiten = 20 Millionen Minuten

Ganz Deutschland verbringt also jedes Jahr aufgrund dieser Regelung mit dem Freischalten von neuen Prepaidhandykarten:

  • 35,5 Millionen Minuten
  • 591.666,7 Stunden
  • 24.652 Tage
  • 3531 Wochen
  • 815 Monate
  • 67,5 Jahre

Fast ein ganzes Leben! Jedes Jahr! Danke Politik, tausendfach Danke!


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