Ministerpräsidentin Hofreiter Toni steht bereit (Bildquelle) |
Etwas
überraschend stehen die Grünen in Bayern nur eine
Woche vor der nächsten Landtagswahl bei
imposanten 18 Prozent. Dieses Ergebnis könnte man abtun als die
übliche Manipulation der Prognosen. Es gibt aber auch einige
handfeste Gründe, warum Bayern auf dem besten Weg ist politisch grün
zu werden.
Bayern boomt und zieht vor allem junge, gebildete Frauen an
Aus bekannten
Gründen wurden die Statistiken zum Wanderungssaldo nach Bayern in
den letzten drei Jahren leider bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.
Daher lassen sich nur bedingt tendenzielle Rückschlüsse ziehen aus
den Wanderungssaldi dieser Zeit zwischen den Bundesländern.
Davor aber war
Bayern dank seiner starken Wirtschaft in Relation vor allem zu den
neuen Ländern ein überaus beliebtes Ziel für junge Menschen auf
der Suche nach einer gut bezahlten Arbeitsstelle. Zwischen
den Jahren 1995 und 2015, also bis vor Merkels Grenzöffnung,
stieg die Einwohnerzahl des Bundeslandes um etwa 800.000 Personen
oder 6,25 Prozent an. Dies lag nicht an der dortigen Geburtenrate,
die auch in Bayern unter
dem Bestandserhalt liegt, sondern vor an Zuwanderern.
Von diesen
Zuwanderern stammen sicherlich einige aus dem europäischen Ausland,
jedoch kann man auch erwarten, dass einige von diesen heute bei uns
wählen dürfen. Mindestens die Hälfte dieser Neubayern aber stammt
aus anderen Regionen in Deutschland und sie dürfen damit auch an den
Landtagswahlen teilnehmen, zumal es sich bei den Personen vor allem
um Erwachsene handeln dürfte.
Seit den
Landtagswahlen im Jahr 1998, als die CSU mit Edmund Stoiber noch
knapp 53 Prozent holte, während die Grünen auf nur knapp 6 Prozent
kamen, hat sich die Zusammensetzung der Wahlberechtigten
also alleine durch die Zuwanderung von Wahlberechtigten um etwa 5
Prozent verändert.
Selbstverständlich
erklärt dies nicht alles, da nicht alle Neubayern grün wählen,
aber es gibt einen Hinweis darauf, was sich in Bayern (und übrigens
auch in der neuen Grünenhochburg Baden-Württemberg) hauptsächlich
verändert hat. Ich halte es nämlich für sehr wahrscheinlich, dass
die Zuwanderer überproportional oft grün wählen. Dies aus mehreren
Gründen.
Erstens, die meisten
innerdeutschen Arbeitsmigranten nach Bayern dürften
überdurchschnittlich hoch qualifiziert sein und diese wählen viel
öfters die Grünen als andere, was
bereits 2011 bekannt war (Seite 6). Zu dem Zeitpunkt wählten 30
Prozent der Wähler mit Abitur die Grünen, wodurch sie in dieser
Kategorie weit vorne lag unter den Parteien.
Hinzu kommt die
Tatsache, dass Bayern sehr wahrscheinlich überproportional viele
weibliche Binnenzuwanderer hinzugewann. Beispielsweise zogen seit
1998 kanpp 200.000
Personen aus Mitteldeutschland nach Bayern. In den
Herkunftsgebieten entstand dadurch nicht nur eine Personallücke
unter den Talentierteren, sondern vor allem eine Lücke,
die verursacht wurde von Frauen. Frauen wiederum wählen deutlich
öfters die Grünen als Männer, wie
eine Grafik auf Seite 26 am Beispiel Baden-Württembergs zeigt.
Nicht zuletzt sind
viele der Zuwanderer eher jung. Auch das spricht für die Grünen mit
dem niedrigsten Durchschnittsalter unter den Wählern, wie auch die
Tatsache, dass der
durchschnittliche
Grünenwähler
mit das höchste Haushaltseinkommen verfügt, das bekanntlich in
Bayern am häufigsten gezahlt wird.
Insgesamt sprechen
bei den deutschen Binnenzuwanderern nach Bayern vom Geschlecht, über
das Alter, die Bildung und das Einkommen sämtliche Faktoren dafür,
dass sie deutlich öfters als der Durchschnitt grün wählen. Ich
würde mich daher nicht wundern, wenn die Grünen unter dieser
Personengruppe bei der Wahlpräferenz an erster Stelle steht, zumal
sich die klassische Bindung an die CSU meist aus der Verwurzelung in
der Region speist. Bei Neubayern braucht es vermutlich erst ein paar
Jahrzehnte, bis diese auch bei ihnen wirkt.
Ich würde
schätzen, dass die Grünen mindestens zwei der 18 Prozent der
Binnenwanderung nach Bayern zu verdanken haben.
Bayern hat Lebensqualität, Lebensqualität bedeutet „bio“ und Bio ist grün
Es handelt sich bei
dieser Kaskade um ein eher weiches Argument, das angesichts der dem
Ruf her noch immer wertkonservativen CSU mit einer mutmaßlichen
urig-naturverbundenen Ader noch weiter geschwächt wird. Man darf
aber nicht vergessen, dass auch in Bayern der Kulturmarxismus mit
all seinen Auswirkungen bis in den letzten Winkel wirkt und auch
dort die alte Mentalitätsverbindungen systematisch gekappt wurden.
Bei den Älteren mit
grünem Daumen mag die Orts- und Naturverbundenheit der CSU noch ein
Wahlgrund sein, bei den Jüngeren in Bayern aber sind der CO2 Wahn
und das Ökolebensgefühl beim Lebensmitteleinkauf genauso präsent
wie überall und diese ist in erster Linie verbunden mit dem Wirken
der Grünen.
Schaut man sich nun
wieder den Vergleich an zwischen 1998 und heute, dann sind in diesen
20 Jahren auch 20 grün angehauchte CSU wählende Jahrgänge von uns
gegangen, während 20 neue grün angehauchte und auf Grün gepolte
Jahrgänge nachgewachsen sind.
Wenn jeder
Jahrgang etwa 0,5 Prozent der Wählerschaft ausmacht und nur ein
Drittel der jungen Ökoangehauchten das Lager gewechselt hat, dann
wären das weitere drei Prozent mehr für die Grünen als noch 1998.
Die wahrgenommene Konservativität der bayerischen Grünen
Es hat lange
gedauert, bis die Grünen in Bayern strukturell Fuß fassen konnten
und in einigen Gegenden ist es heute noch immer nicht vollzogen. Wenn
aber erst einmal ein einheimischer Grüner beispielsweise
Bürgermeister in einem 5.000 Seelen Kaff wird, dann ist das ein
Keil in der politischen Mentalitätsspange, der so schnell nicht
wieder zu entfernen ist. Dafür sorgt die Verwurzelung, die im
Alltagsgeschäft meist stärker wirkt als die Ideologie und nicht
jeder hippe und offen schwule Bürgermeister endet so abschreckend
wie der
Fall eines hochgejazzten Mannes von der roten Konkurrenz.
Kommen zur
überraschenden Alltagstauglichkeit des grünen Mannes im Rathaus
dann noch einige neue Bauflächen für „Solarstadl“
hinzu, dann lächelt am Ende auch der treue CSU Wähler.
In Bayern verhält
es sich dabei letztlich wie in Baden-Württemberg, wenn auch mit
einer Zeitverzögerung von einem Jahrzehnt, was ich auf die notorisch
links verseuchten Universitätsstädte Freiburg und Tübingen schieben würde,
die es in Bayerns Mittelzentren dank der harten CSU Hand lange nicht
gab.
Der allmählichen
Formierung einer stabilen grünen Klientel in der bayerischen Fläche
würde ich in etwa ein Prozent der 18 Prozent zuschreiben.
Die SPD hat auch in Bayern abgedankt, die Linke gab es noch nie und der Rest steht rechts der Mitte
Während die Fläche
immer fest hinter der CSU stand, so waren die bayerischen Großstädte
lange Zeit fest in SPD Hand und dank einiger weniger medienaffiner
Personen wie Christian Ude konnte die Partei im Bundesland mehr
darstellen, als sie effektiv war. Ich denke aber, diese Zeiten
gehören der Vergangenheit an.
Oder kennt noch
jemand einen SPD Mann aus Bayern? Richtig, ich ebenso wenig.
Der Blick auf ältere
Umfrageergebnisse zeigt, dass der Niedergang der SPD mit der
Migrationskrise begann. Von stabilen 20 Prozent hangelte sie sich
zügig herunter auf noch etwas mehr als die Hälfte davon, aber auch
hier ist der Boden vermutlich erst bei knapp über Null erreicht.
Warum ausgerechnet
die Migrationskrise bei der Bayern-SPD wie ein Dolchstoß wirkte
leuchtet mir gerade nicht ein, da ich ihre bayerisch-städtische
Kernklientel eher im Rotwein trinkenden Lager verorten würde denn an
der Pissrinne im Hofbräukeller. Ein Vergleich mit der Entwicklung
der AfD im selben Zeitraum allerdings zeigt, dass die SPD offenbar
die meisten ihrer Anhänger in diese Richtung verloren hat, da die
AfD das gewann, was die Spezialdemokraten verloren haben.
Im Hinblick auf
Zugewinne der Grünen interessanter ist offenbar die CSU, da FDP,
Linke, Freie Wähler und die Sonstigen im längeren Vergleich mehr
oder weniger konstant geblieben sind.
Über die Gründe
für diese eher gegenintuitive Wählerwanderung kann ich nur
spekulieren, kann mir aber vorstellen, dass für viele bayerische
Wähler die CDU auf Bundesebene wohl genau richtig positioniert ist,
sie aber vom konservativen Schein der CSU und den Unpersonen von
Seehofer bis Söder angewidert sind. Während ich dieses Gefühl
selbst völlig nachvollziehen kann, so müssen die Wechsler von
Schwarz zu Grün offenbar von der anderen Seite her angeekelt sein.
Also von den als unerbittlich hart wahrgenommenen Ankündigungen
einer harten Hand bei der Einwanderung, dem Durchsetzen der
Leitkultur mit dem Pflaster von Kreuzen in Klassenzimmern und anderen
Augenwischereien.
Persönlich kann
ich das zwar nicht nachvollziehen, aber mir fällt angesichts der
politischen Großwetterlage keine andere Erklärung für eine solchen
Präferenzwechsel ein.
Die CSU jedenfalls,
sie stand noch im Jahr 2015 bei gut 45 Prozent, während die Grünen
bei 10 Prozent standen. Heute liegt die CSU 10 Punkte darunter und
die Grünen knapp zehn darüber. Es müssen also einige besonders
kreative kognitiv dissonante Wahlpräferenzen entstanden sein im Land
der Bayern der letzten Jahre.
Was bleibt ist, dass
die SPD so schwach ist, dass sie an Inexistenz grenzt und sie daher
nicht in der Lage ist, missmutige CSU Wähler links der Mitte
anzuziehen. In Abwesenheit einer Sympathie für eine der anderen
Parteien (die relevanten liegen alle rechts der Mitte) machen sie nun
eben ihr Kreuzchen beim Hofreiter Toni und seinen Freundinni*xen.
Ich schätze,
dass die CSU in den letzten Jahren wohl so ungefähr zwei Prozent an
die Grünen verloren hat.
Der Rest unterm Strich ist klassische Umfragenmanipulation
Ausgehend vom
Wahlergebnis im Jahr 1998 von knapp sechs Prozent gewannen die
bayerischen Grünen also hinzu:
- 2 Prozent durch Binnenzuwanderinnen aus Ostdeutschland
- 3 Prozent wegen des normalen Generationenwechsels in Verbindung mit einem Verlust der übergenerationellen Mentalitätsbindung
- 1 Prozent aufgrund der strukturellen Etablierung der Grünen in der bayerischen Fläche
- 2 Prozent tendenziell linke CSU Flüchtlinge, die keine andere politische Zufluchtstätte fanden
In
der Summe ergibt das acht Prozent und zuzüglich der sechs Prozent
aus dem Jahr 1998 hätten wir 14 Prozent. Die aktuell ermittelten 18
Prozent enthalten damit einen Interpretationsspielraum von circa vier
Prozent. Ich schließe daraus, dass die Umfrageinstitute in Bezug auf
die Grünen den üblichen Ermessensspielraum aktuell voll nach oben
ausnutzen.
Bei der Wahl, das
wage ich zu spekulieren, werden die Grünen aber nicht über diese 14
Prozent kommen. Ein Wert in dieser Höhe aber, das zeigt die obige
Analyse, ist durchaus realistisch.